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Dieser Geist aber ist ein Geist der Wahrheit, der allem antichristischen Irrtum gegenüber zum Bekenntnis der grundwesentlichen Wahrheit von JEsu als dem im Fleisch erschienenen Gottessohne treibt (4, 1–6) und zum andern ein Geist der Liebe, die wesentlich und urbildlich Gott selbst ist, die göttliches Leben in dem Christen ist, deren Triumph und Vollendung die Freudigkeit des Christen am Tage des Gerichts und deren Bewährung die Bruderliebe ist (7–21).

 Von der Liebe aber geht der Apostel auf deren Wurzel, den Glauben, zurück, in dem das neue Leben der Wiedergeburt zunächst erscheint. (Denn der Glaube ist das erste, die Liebe das zweite im Christenleben.) An diesem Glauben, der von Gott selbst beglaubigt und bezeugt ist (6–10) und dessen Inhalt Christus, der Gottessohn und sein Versöhnungswerk ist (v. 7 und 8a gilt als unecht, 8b wohl Anspielung auf den Joh. 19, 34 berichteten wunderbaren Vorgang beim Tode JEsu) hat der Christ die Fähigkeit zur Erfüllung der göttlichen Gebote (v. 2–3), die Kraft zur Überwindung der Welt (4–5), den Besitz des ewigen Lebens (11–13) die erhörungsgewisse Zuversicht zum Gebet und zur Fürbitte v. 14–17; endlich die Kraft der Selbstbewahrung und des Beharrens in der Gemeinschaft mit Gott (18–20). Der Schluß ist eine Warnung vor den Idolen, d. h. vor den Phantasiegebilden von Gott, welche die Irrlehre an die Stelle des wahren Gottes setzt v. 21.


II.

 1. Bei dem zweiten Briefe des Johannes fragt es sich zuerst, an wen er gerichtet sei. Der Grundtext sagt in der Zuschrift v. 1: „Der Älteste der auserwählten Kyria.“ Da hat man denn das letzte Wort für den Namen einer bestimmten Frau oder – wie Luther – für Bezeichnung einer angesehenen Frau überhaupt gehalten. Eine dritte Meinung ist, daß Johannes eine Gemeinde so anrede. Man nenne sie die „Kyria“ von JEsu, welcher „Kyrios“ heißt. Gegen die ersten Meinungen und für die letztere spricht 1. daß es dem Briefe an allen individuellen Beziehungen fehlt, 2. daß im Verlaufe des Briefes immer deutlicher eine Gesamtheit hervortritt, welche angesprochen wird, und zwar 3. so angesprochen wird, wie eine christliche Gemeinde. Endlich 4. ist dieser Ansicht günstig die Art, wie ihrer und ihrer Schwester Kinder Erwähnung geschieht.

 2. Anlaß zum Briefe bot dem Ältesten, d. i. dem Apostel – denn nur ein Apostel konnte sich den Ältesten (schlechtweg) nennen –, die immer mehr um sich greifende Gefahr der Verführung durch die Irrlehrer (Doketen s. oben). Gegen diese die Gemeinde zu schützen,