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unseres Briefes mit dem zweiten Petribrief, daß Judas nach Petrus schrieb. Denn Judas bezeichnet das Auftreten jener Irrlehrer v. 4 als eine bereits vollzogene Thatsache, während die Schilderung des Petrus sich 2, 1–3 und noch v. 12 und 13 in lauter Futuris bewegt. Auch gibt sich v. 17 und 18 als eine Rückbeziehung auf die Weissagung des Petrus 3, 2–3. Sollte, wie manche Ausleger wollen, in v. 5 eine Andeutung der Zerstörung Jerusalems liegen, so würde die Priorität des zweiten Petribriefes und eben damit die Entlehnung (soweit von einer solchen die Rede sein kann) des beiden Briefen gemeinsamen Abschnitts seitens des Judas festgestellt sein. Das von uns angenommene Verhältnis beider Briefe wird von vielen umgekehrt, indem sie sagen, Judas sei ursprünglicher und kürzer als Petrus. Ersteres ist Sache des Eindrucks, letzteres erklärt sich auch dann, wenn Judas die Schilderungen des Petrus voraussetzt und nur einzelne Züge aus denselben herausnimmt, um damit an sie zu erinnern. Übrigens ist der kurze Brief von charaktervoller Eigenart, von strafendem Ernst wie von seelsorgerlicher Liebe durchweht, ausgezeichnet durch treffende Naturbilder, die dem Verfasser wie in unerschöpflicher Fülle zuquellen. Auffallend hat man bei einem Apostel die Benützung apokryphischer Tradition gefunden, doch ohne Grund.[1]

 5. Der Inhalt des Briefes ist in Kürze folgender:

 Der Verfasser sieht sich genötigt, vor den in die christlichen Gemeinden Kleinasiens eingedrungenen Irrlehrern zu warnen, Zu diesem Zweck erinnert er (v. 5–7) an Beispiele göttlichen Gerichts: a) an das Gericht, das über Israel erging in der Zerstörung Jerusalems (?); b) an die Strafe der Engel, die mit den Menschentöchtern hurten (Gen. 6, 1 ff.); c) an das Gericht Sodoms, das ähnlich gesündigt, wie diese Geister (Gen. 19). Dann gibt der Verfasser v. 8–15 eine Schilderung der sittenlosen Irrlehrer, die er straft. Er nennt sie Träumer (= wirre Denker, Phantasten), von schamloser Unsittlichkeit des Wandels und einer über alle sittlichen Ordnungen und Autoritäten lästerlich sich hinwegsetzenden Frechheit. Kain, der Brudermörder, Bileam, der Verführer, Korah, der Empörer sind Vorbilder ihres Wandels


  1. Hier beruft sich Judas auf eine jüdische Tradition, die auch sonst (z. B. Targum des Jonathan zu Dt. 34) findet. Sie widerspricht der Lehre der Schrift nicht im mindesten, sondern findet an Stellen wie Matth. 17, 3; Ebr. 2, 14; Dan. 12, 1 Bestätigung. Ihre Wiederholung kann also in einem apostolischen Briefe nicht befremden.