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von der machtvollen Zukunft des HErrn entspreche dem, was innerhalb des apostolischen Kreises – ob auch nur von etlichen – mit Augen geschaut worden ist. Es liegt ein volles apostolisches Augenzeugnis dafür vor. Es kann demnach aus c. 1, 16 kaum erwiesen werden, daß die Leser des zweiten Briefes Judenchristen waren. Die Bezeichnung, welche der Leser in c. 1, 1 erhalten, deutet eher auf Heidenchristen; auch der Libertinismus, vor dem gewarnt wird, wird eher bei Heidenchristen, als bei Judenchristen zu suchen sein. Welches ist aber der c. 3, 2 genannte erste Brief? Es ist nicht unmöglich, daß c. 3, 2 auf den ersten Petribrief zielt; eine Erinnerung der Leser an ihren früheren Unterricht war auch der erste Brief, wenn er dies auch nicht ausdrücklich sagt. Die beiden Briefe sind sonst von einander ziemlich verschieden, dies erklärt sich aber aus dem jedesmal verschiedenen Zweck. Andrerseits berühren sie sich auch mannigfach. In beiden Briefen ist die Aussicht auf die Erscheinung Christi und das Ende der Dinge der beherrschende Grundgedanke, aber in verschiedener Weise. „Im ersten Brief diente diese Aussicht besonders zur Tröstung und Mahnung, denn um das Verhältnis der Christen zur außerchristlichen Welt, in deren Mitte sie sind, ist es dort zu thun. Im zweiten Brief aber dient sie zur Mahnung und Warnung, denn hier handelt es sich um die Gefahren, welche innerhalb der Christenheit selbst aufkommen werden; um eine künftige Verkehrung des Christentums in eine Theorie der Unsittlichkeit und eine Sicherheit des Unglaubens an das Ende“ (v. Hofm.). Im einzelnen wäre hinzuweisen auf Betonung der christlichen Tugend I, c. 2, 9 u. II, 1, 3–8; auf Warnung vor Mißbrauch der christlichen Freiheit I, c. 2, 11–16 u. II, 2, 18–22 und Anderes.

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 So natürlich nun diese Differenz in Form und Inhalt zwischen beiden Briefen ist, so hat sie dennoch dazu dienen müssen, den Zweifel an der Echtheit unseres Briefes zu erwecken, und diesen Zweifel erhöhte noch der Umstand, daß das zweite Kapitel des zweiten Petribriefes vielfach fast wörtlich mit dem Judasbrief übereinstimmt. Sollte, sagt man, ein Apostel einen ganzen Brief und einen solchen Brief in solcher Weise ausgeschrieben haben? Dieser Zweifel wurde endlich dadurch vermehrt, daß unser Brief im kirchlichen Altertum wenig Beglaubigung hat. Bis auf Origenes wird er fast bei keinem Kirchenvater erwähnt; er findet sich weder in der Peschîttho, noch im altrömischen Kanon. Origenes gebrauchte ihn als kanonisch, sagt aber ausdrücklich, daß die Echtheit