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Betonung des kirchlichen Amts, da gegen das Ende der apost. Periode die Wichtigkeit desselben naturgemäß wuchs. Übrigens hat Paulus von Anfang auf dessen ordnungsmäßige Bestellung Wert gelegt (Phil. 1, 1; Apostelgesch. 14, 23). Von einer monarchischen Zuspitzung des Amtes wissen indes die Pastoralbriefe noch nichts; ein Beweis, daß sie der vor der Johanneischen Wirksamkeit liegenden Zeit angehören. Man hat auch auf den den Pastoralbriefen eigentümlichen Wörterschatz hingewiesen. Aber die neuen Bezeichnungen erklären sich aus dem neuen Gegensatz, den es hier zu bekämpfen galt. Ausdrücke wie „heilsame, gesunde Lehre“, „Geheimnis der Gottseligkeit“, „anvertraute Beilage“ etc. begegnen hier zum erstenmal, weil es eben galt, den gesunden Ernst des christlichen Lebens und die Reinerhaltung der apostolischen Überlieferung zu betonen.

 I. Anweisung zur rechten Bekämpfung des jüdischen Unwesens c. 1.

 Nach der Zuschrift (1, 1–2) beginnt der Apostel sofort damit, den Timotheus an den Auftrag zu erinnern, den er ihm gegeben hat, nämlich diejenigen zu ermahnen, die einer „andern“ Lehre (als der vom Apostel überkommenen) nachhängen (3). Sie beschäftigen sich beim Lehren der Schrift mit Fabeln (d. i. Mythen oder überlieferten Sagen, wodurch sie die Wahrheit mit Irrtum vermengen) und mit Genealogien (gelehrten Untersuchungen über den geschichtlichen Inhalt der Thorah, wenn man den Ausdruck nicht etwa von den gnostischen Äonenreihen zu verstehen hat). Damit erbauen sie aber nicht, sondern rufen nur Wissensdünkel und leere Disputationen hervor, während alles Predigen auf Erweckung wahrer Liebe abzielen soll. Ein Unterricht, der diesem Zweck nicht dient, ist leeres Geschwätz (4–7). Zum andern trägt ihre Lehre einen ausgeprägt gesetzlichen Charakter (v. 7 „Gesetzeslehrer“ vgl. Tit. c. 1, 10. 14). Sie behelligen die Gläubigen mit Bestimmungen des Gesetzes, das doch nicht für sie, sondern für die Sünder gebraucht werden soll, die man dadurch straft und zur Buße führt. Den „Gerechten“ aber gilt nach der gesunden Lehre nicht das Gesetz, sondern die Heilsbotschaft von der Gnade Gottes in Christo, die Gott dem Paulus anvertraut und an der Person desselben für alle Gläubigen verherrlicht hat (8–17). Das soll Timotheus in Ephesus lehren, darauf hin vermahnen, damit er die Weissagung wahr mache, die bei seiner Bestellung zum Gehilfen des Paulus ergangen ist, und wie der Apostel ihm dabei Vorbild und Beispiel ist, so soll das Ende des Alexander und Hymenäus ihn schrecken, von dieser (einfachen apostolischen) Lehre abzuweichen (18–20).

 II. Anweisung des Timotheus in Bezug auf die Ordnung gemeindlicher Verhältnisse c. 2, 1–3, 13.

 1. Die öffentlichen Gottesdienste.

 Das Gebet (2, 1–10). Hier betont der Apostel, daß das gemeindliche Gebet sich auf alle Menschen, besonders auch die Träger des obrigkeitlichen Amtes erstrecken solle. Die Einheit Gottes, die weltumfassende Allgemeinheit des Heilsratsschlusses, seine Ausführung durch den einigen Mittler, den Erlöser aller Menschen, geben dem Gebet notwendig diese Weitschaft. An diesen Gebetsversammlungen