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unterrichtet war. Offenbar hat Timotheus für die Gemeinde eine gewisse Bedeutung (c. 13, 23). – Unter der großen Verfolgung, welche die Leser am Anfang ihres Christenstandes durchzumachen hatten, kann kaum eine andere gemeint sein, als jene, die nach dem Tode des Stephanus über die Gemeinden in Palästina (Judäa, Samaria, Galiläa Akt. 8, 3; 9, 2; 26, 9–11; 9, 31) erging, sich aber auch in die fremden Städte erstreckte. Wir werden die Leser des Briefes demnach in Palästina (doch schwerlich in Jerusalem selber) oder in einem der an Palästina anstoßenden Gebiete zu suchen haben.

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 3. Zeit und Veranlassung dieses Sendschreibens. Es setzt den Bestand des Tempels und Tempelgottesdienstes voraus, ist also (im letzten Jahrzehnt) vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben. Zum Schreiben wurde der Verfasser veranlaßt durch die Besorgnis, welche durch Nachrichten über die schlimme innere Verfassung seiner Leser in ihm erweckt wurde. Eine geistliche Ermattung drohte sich der vordem zu Kampf und Leiden für das christliche Bekenntnis so willigen Leser zu bemächtigen, welche die Gefahr eines gänzlichen Abfalls vom Christentum und damit das Unglück des unwiderbringlich verlorenen ewigen Heils in sich schloß. Ihr Begehren stand ähnlich wie bei der aus Ägypten ausgewanderten Generation des Volkes nach einem Aufhören der Mühsale, nach einem ruhigen Leben und äußeren Frieden. Dies Verlangen nach zeitlichem Glück benahm ihnen die Fähigkeit, Christum und sein Heil und das Hoffnungsgut des Christenstandes in seiner wahren Größe zu erkennen, und damit auch den Zugang zu der Quelle, aus der sie immer neue Kraft zur Erhebung des Gemüts über die mit dem Christenstand verknüpften Widerwärtigkeiten und zum Kampf mit dem eigenen sündlichen Verderben schöpfen konnten. Ihre innerlich vorhandene Unlust, den sauern, mühevollen Pilgerlauf des Christen weiter fortzusetzen, trat augenfällig hervor bei kürzlich über sie gekommenen Anfechtungen und Leiden (wohl eine Folge des in den sechziger Jahren neuerwachten national-religiösen Fanatismus ihrer Volksgenossen). Schon begannen Einzelne von den christlichen Versammlungen wegzubleiben, ihre christliche Festigkeit war erschüttert; es brauchte die vorhandene Mißstimmung nur einen Vertreter finden, der ihr Worte verlieh, so