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noch innerhalb der Kirche sich geltend zu machen strebte, so daß wir uns nicht wundern dürfen, den Anfängen dieser Bewegung, wie der Kolosserbrief zeigt, schon in den Tagen des Apostels Paulus zu begegnen. Darum legt Paulus im Kolosserbrief alles Gewicht erstlich darauf, daß die Erlösung in Christo eine völlige Aufhebung des früheren heidnischen Standes in sich schließe und es dazu außer Christo nichts bedürfe, sodann aber stellt er jener selbsterwählten, scheinbar geistlichen, in Wahrheit fleischlichen Weise der Heiligung die freilich einfache, aber wahrhaft göttliche entgegen, die in den gottverordneten natürlichen Verhältnissen sich erweist. Dies beides in Lehre und Vermahnung bildet den eigentümlichen Inhalt, und darin liegt Wert und Bedeutung des Kolosserbriefs.

 Für die Echtheit des Kolosserbriefes, auf den c. 160 n. Chr. hervortretende Gnostiker sich berufen, indem sie den vom Apostel gebrauchten Bezeichnungen (Pleroma, 1, 19; 2, 9 und Äon 1, 26) andere Bedeutung unterlegten, ist sein Verhältnis zum Philemonbrief von Wichtigkeit. Die beiden Briefe sind nämlich ebenso unabhängig von einander wie sie einander in persönlichen und geschichtlichen Angaben ergänzen, vgl. die Aussagen über Onesimus oder Epaphras in beiden u. a. Dieser Umstand ist ein starkes äußeres Zeugnis für ihre Echtheit, da ein solcher Sachverhalt nur bei echten Schriften sich finden dürfte.

 Der apostolische Gruß 1, 1–2.

 I. Was wir an der Erlösung durch Christum JEsum haben und wie es neben dieser einer andern nicht bedürfe c. 1, 3–2, 23.

 Der Apostel dankt, daß die kolossische Gemeinde durch den Dienst des Epaphras (7) gläubig geworden ist und in rechtem Glauben steht (1, 3–8); er bittet aber zugleich den HErrn für sie um Fortschritt in christlicher Erkenntnis und Leben, sonderlich um dankbare Erkenntnis dessen, was sie an Christo, in dessen Reich sie versetzt sind (9–12), haben, nämlich Erlösung im Vollsinn des Worts. Die Bedeutung seiner Erlösungsthat bemißt sich nach der Erhabenheit der Person Christi, der Gottes Bild, das Haupt, der Mittler und das Ziel der ersten wie der zweiten Schöpfung ist (13–18), indem er durch seinen Kreuzestod das Weltall und insonderheit die sündige Menschenwelt (darunter auch die Leser) aus ihrer Gottentfremdung wiedergebracht und in ein Friedensverhältnis mit Gott versetzt hat (19–23). Dies der Inhalt der Heilsbotschaft, deren Verkündigung in der Heidenwelt sein, Pauli, Lebensberuf geworden ist, den er freilich dermalen (als Gefangener) nur leidend erfüllen kann (24–28). Eben kraft dieses seines Berufes ist es ihm ein großes Anliegen, daß auch diejenigen, denen er wie den Kolossern bisher persönlich unbekannt