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Geschichtsdenkmal entgegen. – Gen. 12, 6 und 13, 7 heißt es in der Geschichte Abrahams: Die Kanaaniter (und Pheresiter) war damals im Lande. Dies „Damals“ führe mit Sicherheit in die Zeit nach Eroberung des Landes. Aber waren denn seit Abrahams Einzug nicht 6 Jahrhunderte vergangen; konnten da keine Veränderungen und Besitzverschiebungen stattgefunden haben? Bei der Einnahme des Landes durch Israel treten die Amoriter mächtig hervor, so sehr, daß sie sogar moabitisches und ammonitisches Gebiet eingenommen hatten, während die in Genesis neben den Pheresitern genannten Kanaaniter nicht mehr in der Gegend von Sichem und Bethel sich finden. Man wird dabei nicht behaupten dürfen, der Ausdruck „Kanaaniter“ müsse als Gesamtbezeichnung der Bewohner des Landes verstanden werden; es stehen ja die Pheresiter dabei und Gen. 15 werden die Kanaaniter unter einer ganzen Schar anderer Völkerschaften genannt. Auf das jeweilige Vorkommen großer Veränderungen in Kanaan läßt auch die Nachricht der Kundschafter Num. 13, 33: „Kanaan fresse seine Einwohner“ schließen.

 Man macht weiter geltend gegen die mosaische Urheberschaft: Es sei nicht wahrscheinlich, daß Moses seine und seines Bruders Genealogie mit den jetzt Ex. 6, 26–27 stehenden Worten geschlossen habe. Allerdings möchten wir meinen, der Nachwelt hätte es näher gelegen, Moses Genealogie zu erforschen, als ihm selber, deren Kenntnis den Späteren zu vermitteln. Allein es ist zu bedenken, daß Moses wie ein Fremder in Israel hereintrat, zunächst als Sohn der Tochter Pharaos, dann als ein aus der Ferne Kommender. Da war es wohl angezeigt, daß er seine Herkunft nachwies, und damit sich in seiner Zugehörigkeit zum h. Volk, in welchem die Abstammung von größerer Bedeutung war, als irgendwo anders, legitimierte. Zwei nachweisbar echte rechte Israeliten waren es, welche die Sache Israels vor dem ägyptischen König führten, oder, wie er sich auf das Bescheidenste ausdrückt: die mit Pharao „redeten“.

 Num. 12, 3 wird wider die Urheberschaft Moses ins Feld geführt, eine Stelle, die übersetzt wird mit: der Mann Mose war sehr sanftmütig, mehr als alle anderen Menschen auf der Erde. Solches Selbstlob hätte Moses nicht von sich schreiben können. Aber warum bleibt man nicht bei der lutherischen Übersetzung: Moses war ein geplagter Mann u. s. w., ein Mann, der seine Last zu tragen hatte? In diesem Sinne kommt das Wort in verschiedenen Stellen des Psalters vor, während man für „sanftmütig“ nur die in Frage stehende anführt. Wie Luther übersetzt, konnte Moses wahrheitsgemäß schreiben und ohne Übertreibung; denn was gibt es Schwereres, als den Kampf eines Seelsorgers mit dem widerspenstigen natürlichen alten Wesen seiner Gemeinde? Und ähnlicher Art war die Stellung Moses, nur umfangreicher als jede andere. Er hatte aber Anlaß, diese seine Lage zu betonen, weil sich daraus das scharfe Eintreten des HEerrn erklärt wider die, welche ihm sein Amt, statt zu erleichtern, noch mehr erschwerten. Sie überlasteten Mose; daher das plötzliche Strafgericht. Auch sie hatten sich denen zugesellt, die stets wider Mose sich auflehnten und sein Amt mißachteten. –