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ist, womit dann auch das Verständnis für sein Heidenapostalat, seinen Missionsberuf an die gesamte Völkerwelt gegeben war. Diesen gemeinsamen Boden herauszustellen resp. herzustellen – das ist der weitergehende Zweck dieses Briefes. Soll aber die römische Gemeinde die moralische Unterstützung, die er für sein Werk von ihr erwartet, ihm gewähren, so muß ihr eigenes christliches Gemeindeleben in gedeihlicher Entwicklung sich befinden. Wir werden die römische Gemeinde im Wesentlichen als eine heidenchristliche uns zu denken haben; c. 1, 13 nämlich hofft der Apostel auch unter den Volksgenossen der Leser Frucht zu schaffen, gleichwie auch unter den übrigen Heiden. Eben weil sie Heiden sind, kann auch der Heidenapostel (c. 1, 5 und Gal. 2, 9) sich an sie wenden (Akt. 22, 21). Andrerseits befand sich unter den Gliedern der Gemeinde wie aus dem Mitgliederverzeichnis in c. 16 hervorgeht, ein bedeutender Prozentsatz von Judenchristen. Dieser Sachverhalt barg eigentümliche Schwierigkeiten und stellte dem christlichen Verhalten besondere Aufgaben. Während in der galatischen Gemeinde die Gefahr bestand, daß sie sich von Judenchristen beherrschen ließ, finden wir in Rom bei dem heidenchristlichen Teil vielmehr eine Neigung zur Überhebung, wenn nicht über die Judenchristen als solcher – denn dazu waren die in der Gemeinde lebenden Vertreter derselben zu bedeutend c. 16, 7 –, so doch über das Volk, dem sie angehörten. Solche Überhebung mußte den Heidenchristen selber zum Schaden gereichen (c. 11, 20–25) wie auch das gemeindliche Zusammenleben stören. Das beiderseits tadelnswerte Verhalten der „Starken“ und der „Schwachen“ untereinander, unter welchen letzteren wir wohl asketisch gerichtete, judaisierende Heidenchristen zu verstehen haben, dürfte ein Beleg dafür sein (c. 14, 1–15, 13). Diese Verhältnisse mußte der Apostel, wenn er seinen Zweck erreichen wollte, ins Auge fassen und in seinem Brief behandeln. – Von den Zuständen in der römischen Gemeinde mag der Apostel durch seine vielen Bekannten in ihr, besonders durch Priscilla und Aquila, genauere Kunde erhalten haben.

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 Von wem die römische Gemeinde gestiftet worden ist, entzieht sich unsrer Kenntnis. Beziehungen zwischen geborenen Römern (resp. Italern) und dem Christentum reichen weit zurück; schon am Pfingstfest treten „römische“ Fremdlinge, Juden und Proselyten (Akt. 2, 10–11)