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die der heidnische Geist noch fort und fort in der Gemeinde übt, nicht verzage, anderseits aber auch wisse, wie sie zu überwinden seien.

 3. Inhaltsübersicht.

 Der Eingang des Briefes (1, 1–9) enthält den Dank des Apostels für den gottgeschenkten Reichtum der Gemeinde an Erkenntnis und geistlicher Gabe.

 I. Von den Spaltungen c. 1, 10–4, 21.

 Der Apostel straft 1, 10–16 das Parteitreiben in der Gemeinde als die Frucht des in ihr herrschenden Gaben- und Personenkultus. Gegenüber dieser falschen Wertschätzung natürlicher Begabung zeigt der Apostel, daß Kern und Stern aller evangelischen Predigt das Wort vom Kreuze sei, das keiner Zuthat menschlicher Kunst und Wissenschaft bedürfe, um seine Wirkung zu erreichen (1, 17–25). Erscheint die Wahl eines solchen Mittels der weisheitsstolzen Welt als Thorheit, so hat es eben Gott gefallen, durch die Thorheit[1] der Predigt die Weisheit der Welt zu schanden zu machen – eine Wahrheit, welche den Korinthern ein Blick auf die Zusammensetzung und den Personalbestand ihrer Gemeinde bestätigt (v. 26–31), und dem entsprechend auch das Auftreten des Apostels in Korinth war, indem er dort das Evangelium von Christo auf das einfältigste vortrug (2, 1–5). Freilich ist das Christentum auch Weisheit – wenn auch nicht im Sinn der Welt und ihrer Geistesgrößen – aber nur für die gereiften Christen, die wahrhaft Geistlichen (2, 6–16). Aber eben an dieser inneren Voraussetzung geistlicher Erkenntnis fehlt es noch den Korinthern, wie sie selbst beweisen durch ihre Parteinahme für Personen, die doch nur Diener des HErrn sind (c. 3, 1–9). Von sich und Apollos unterscheidet nun aber der Apostel solche Nachfolger in seiner Arbeit an der korinthischen Gemeinde, die, ob auch auf richtigem Grunde, doch ungeschickt (mit untüchtigem Gemeindematerial?) weiter bauen (v. 10–16) und solche, die gar durch eigene, weltliche Weisheit die Gemeinde Gottes verderben (v. 16–20), um daran die Ermahnung zu knüpfen, daß die Gemeinde alle rechtschaffenen Lehrer als Gaben Gottes schätzen und brauchen, aber auch dessen eingedenk sein solle, daß sie keinem derselben, sondern allein Gott zu eigen sei (21–23). Die Lehrer soll sie für Christi Diener, Haushalter Gottes, halten, von denen bloß Treue gefordert wird – nicht glänzende Gabe –, sie auch nicht richten, denn das kommt Gott zu (4, 1–5)! Aber in dieser Parteinahme für oder wider den einen und den andern Lehrer offenbart sich nur ein tieferer Schaden der Gemeinde: eine satte Selbstüberhebung im Zusammenhang mit einer Weltförmigkeit ihres Christentums, kraft welcher es sich freilich mit der Welt wohl verträgt, zu welcher aber die niedrige und leidensvolle Gestalt des apostolischen Lebens einen


  1. Thorheit heißt die Lehre des Christentums abgesehen von ihrem der Denkweise des natürlichen Menschen widerstrebenden Inhalt – auch insofern, als sie nicht das Ergebnis menschlicher Geistesarbeit, philosophischer Spekulation, sondern Offenbarung, geschichtliche Kunde von Thatsachen ist, deren Mittelpunkt das Kreuz Christi ist, die es nur gilt gläubig anzunehmen.