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Freunde, von wo es (mit dem 21. Kapitel als Anhang versehen) wohl erst nach des Apostels Tod, in weitere Kreise sich verbreitete. Wann das Evangelium verfaßt worden sei, darüber besteht keine genaue Angabe bei den Vätern. Vielleicht darf man das Jahr 80 als ungefähren Zeitpunkt setzen.

 Die von der neueren Kritik gegen den johanneischen Ursprung des 4. Ev. geltend gemachten Einwände sind nicht stichhaltig. Bei den Synoptikern soll sich JEsus als der Menschensohn, bei Joh. als der mit Gott wesensgleiche Gottessohn bezeugen. Allein die Person des Gottmenschen läßt eben zwei gleichberechtigte Standpunkte der Betrachtung zu. Bei Joh. fehlt übrigens die Anerkennung der wahren Menschennatur (Joh. 1, 14; 19, 33–34) des HErrn nicht, und höher als z. B. in Matth. 11, 27 hebt sich das göttliche Selbstbewußtsein JEsu auch nicht in den Reden bei Johannes (cf. Matth. 7, 22. 23; 25, 31 ff.). Im Verhältnis zu den anderen Ev. hat man in dem Johannesevangelium Auslassungen und Widersprüche gefunden. Allein erstere sind, da die synoptischen Ev. bereits vorlagen und die Bekanntschaft mit ihnen vorausgesetzt wird (Matth. 23, 27 und Luk. 13, 34) beabsichtigt, letztere (wie z. B. bei der Tempelreinigung) entweder nicht vorhanden (cf. unten) oder (wie bei der Frage nach dem Todestag JEsu) nicht unlösbar. Die Verwandtschaft ferner des Stils in den Briefen des Johannes mit den Reden JEsu im Ev. berechtigt höchstens zu dem Schluß, daß der Anteil des Joh. an der Form der Wiedergabe derselben ein größerer als der des Matth. sei, nimmermehr aber zu der Annahme, daß sie von ihm frei komponiert seien. Und wenn man schließlich behauptet hat, das Johannesevangelium gehe über die Fassungskraft der urchristlichen Gemeinde hinaus, so genügt – außer dem Hinweis auf paulinische Sendschreiben wie den Kolosser- oder Epheserbrief – die Bemerkung, daß dieses Ev. für eine Christenheit bestimmt war, die schon Jahrzehnte lang die apostolische Predigt vernommen hatte. –

 Das Zeugnis der Kirche von dem johanneischen Ursprung des 4. Ev. wird bestätigt durch das Selbstzeugnis desselben. C. 1, 14–18 läßt erkennen, daß der Verfasser dem Kreis jener Jünger angehört, die der HErr eines Einblickes in die verborgene Herrlichkeit seines Wesens gewürdigt hat (c. 2, 11). Aus dem Kreis derselben tritt im Ev. ein namenloser Jünger hervor 1, 37. 39; 13, 23–25; 19, 26–35; 20, 2–10; 18, 15, dessen Nichtbenennung eine absichtliche ist, da der Evangelist sonst geflissentlich die einzelnen Personen nennt. Die naheliegendste Erklärung dieses Verschweigens ist, daß der Betreffende eben der Berichterstatter selber ist. Da der Evangelist weiter gerade das in den synopt. Evangelien so oft genannte Brüderpaar