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 2. Unter den vier Evangelien bilden die drei ersten wieder eine Einheit im Unterschiede vom vierten. Jene schlagen im ganzen denselben Gang ein für die Geschichte, und man nennt sie darum die synoptischen Evangelien; dieses geht seinen besonderen Weg. Während jene hauptsächlich das Wirken JEsu in Galiläa berichten, erzählt dieses fast ausschließlich sein Wirken im Mittelpunkt des jüdischen Volkslebens, in Judäa. Auch so hat man jene Evangelien von diesem unterschieden, daß jene die leibliche Seite der Erscheinung JEsu, dieses die geistliche (pneumatische) Seite derselben offenbare. – Indes unterscheiden sich auch die Synoptiker wieder von einander. Es gab nämlich eine antiochenische und jerusalemische Weise der evangelischen Verkündigung; jene befolgt Lukas, der Gehilfe des Heidenapostels, der für die Griechen schreibt, diese Matthäus, der Lehrer Israels. Markus erscheint wie mitten inne; er gibt ein Bild von der göttlichen Herrlichkeit des HErrn in seinem wunderbaren Thun und Wirken, das für alle gleichermaßen gilt. So zeigt Matthäus in JEsu den verheißenen Christ, in seinem Reiche das Reich Davids; Markus den König der Welt, Lukas den Heiland der Sünder, – Johannes den eingeborenen Sohn des Vaters voller Gnade und Wahrheit.

 3. Das Ansehen der Evangelien hat je und je auf der Gewißheit ihres apostolischen Ursprungs beruht. Dieser ist in neuerer Zeit mit großer Heftigkeit bestritten worden, indem man die Evangelien bald für absichtliche, bald für absichtslose Dichtungen einer späteren Zeit, nämlich der letzten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, ausgab (s. o.). Aber es liegen bestimmte Zeugnisse vor, daß unsere Evangelien bereits vor Ablauf des ersten Jahrhunderts im allgemeinen kirchlichen Gebrauche standen und kanonisches Ansehen genossen, und zwar auf Grund ihres Ursprungs von Aposteln oder deren Gehilfen und Begleitern. Auch die Häretiker bezweifelten nicht, daß die Evangelien von den Männern verfaßt seien, welche die kirchliche Überlieferung als Verfasser nannte. Die Echtheit der Evangelien und damit die Geschichtlichkeit ihrer Aufzeichnungen über das Leben JEsu ist dokumentlich verbürgt.

 Die wichtigsten der Zeugnisse, welche in neuerer Zeit am besten C. Tischendorf in seiner Schrift: „Wann wurden die Evangelien verfaßt?“ zusammengestellt