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in Israel, sondern in der Völkerwelt zu suchen. So kam es, daß die Urkunde des N. Testaments in einer andern Sprache abgefaßt wurde, als die des Alten.


§ 62.

 Aber obwohl die Sprache des Neuen Testaments an sich die Sprache der Völkerwelt ist, so ist sie dennoch eine heilige Sprache. Es gab ja seit der Übersetzung des A. Testaments ins Griechische auch eine heilige griechische Sprache, indem die Übersetzer (jene sog. LXX) das Griechische dem Geiste der hebräischen Sprache und der heiligen Urkunden anzupassen suchten. Dieses hebraisierende griechische Idiom finden wir vielfach auch im N. Testamente. Die historischen und prophetischen Teile desselben tragen im Stil entschieden Alttestamentliches Gepräge. Anders freilich verhält sich’s mit der epistolisch-didaktischen Litteratur. Sie hatte am A. Testament weniger Vorbild, als die übrige; sie ist daher weit mehr als jene im griechischen Stil geschrieben. Daher denn auch der Unterschied zwischen den Evangelien und Briefen: jene einfach in der Darstellung, wenn auch dem Inhalte gemäß feierlich, oft erhaben, diese dagegen vielfach periodisch konstruiert und schwerer zu verstehen. – Aber auch der Ausdruck des N. Testaments ist ein eigentümlicher. Christliche Ideen mußten sich einen neuen Ausdruck schaffen, indem sie die alten Ausdrücke mit neuem Inhalt, die alte Form mit evangelischem Geist durchdrangen. – Somit gehört zum rechten sprachlichen Verständnis des N. Testaments neben der Kenntnis des Vulgär-Griechischen oder der κοινή sowohl Vertrautheit mit dem Alttestamentlichen Stil, als tiefes Eingehen in den eigentümlichen Geist des Evangeliums.




Kap. 3
Von der Überlieferung des Textes.

§ 63.

 Die Urschriften sind bereits im zweiten Jahrhundert als verloren zu betrachten, und es ist sonach der heil. Text lediglich durch Abschriften auf uns gekommen. Diese waren anfangs nach damaliger Weise ohne Trennung der Wörter, ohne Accente, ohne irgend eine Einteilung des Textes in Abschnitte. Auch Überschriften