Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/232

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Infolge einer neuen noch schwereren Versündigung wird Tempel und heilige Stadt zum andern Mal, und zwar durch Heere dieses 4. Weltreichs zerstört. Über diese Zerstörung hinüber reicht das Antichristentum des 3. Reichs dem des letzten die Hand; denn beide gehören zusammen; sie bilden eine Entwicklung.

 In der Schilderung der Aufrichtung des Gottesreiches läßt sich eine ähnliche Ordnung wahrnehmen, c. 2 redet davon im allgemeinen: ein Stein ohne Hände herabgerissen zerschlägt die Weltreiche und wächst zu einem Berg, der die ganze Welt erfüllt, c. 7 sehen wir warum das Weltreich zerschlagen werden muß. Der von Anfang an in ihm schlummernde Gegensatz gegen Gott und sein Volk wird schließlich bewußte Feindschaft, die sich in Lästerung Gottes und Verfolgung des h. Volkes äußert, so daß Gott selber einschreiten muß. Der Weltherrscher wird vertilgt und Gott verleiht die Herrschaft über die Menschenwelt, dem dazu bestimmten Erben: einem Menschensohn, doch von himmlischer Herrlichkeit umgeben. Mit ihm nehmen die Heiligen das Reich ein. Die nächsten Kapitel zeigen zunächst Vorspiel und Anbahnung jener letzten großen Bedrängnis, dann kurz diese selber und ihren für Gottes Volk tröstlichen Ausgang. Das in c. 7 erwähnte Einschreiten Gottes vollzieht sich so, daß der Fürst Gottes Michael sich aufmacht und Gottes Volk errettet c. 12, 1 etc.

 Kurz ist der letzte Ausgang des Kampfes behandelt; derselbe liegt jenseits der Erscheinung Christi; die Weissagung darüber erfährt die erforderliche Erweiterung durch die Offenbarung St. Johannes. Was die aus dem babyl. Exil zurückgekehrte Gemeinde zu erleben hatte, war die Bedrängnis durch Antiochus; diese erfährt deshalb ausführliche Darstellung.

 6. Stellung Daniels unter den übrigen Propheten.

 Daniel ist der Geschichtschreiber unter den Propheten. Er zeigt, wie die Weltmacht, nachdem sie die Stadien ihrer Entwicklung durchlaufen hat, das Reich über die Welt an das heilige Volk verliert. Von den Ereignissen aus dem Leben des HErrn hat er in seiner Weissagung nur den Tod, und von diesem sind es nur die weltgeschichtlichen Folgen, die er hervorhebt. Dafür aber hat er die Weissagung von dem in des Himmels Wolken erscheinenden Menschensohn, d. h. die Weissagung von der zukünftigen Herrlichkeit des den Menschen gleich gewordenen, vgl. Matth. 26, 64. Außerdem kommt bei keinem Propheten mit gleicher Deutlichkeit der Gegensatz des himmlischen Charakters des Gottesreiches (vgl. 7, 13; 8, 10; dazu Offbg. St. Joh. 12, 1) und der tierische, ja teuflische Charakter des Weltreichs zum Vorschein, wie bei Daniel. Ebenso hat er in der Klarheit der Schilderung des Gerichts und der Auferstehung