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schreibende Xenophon in seinem Buch „Erziehung des Cyrus“ die damaligen Verhältnisse entsprechend der Darstellung Daniels schildert; ein Anlaß, von der Darstellung Herodots abzuweichen, war mit dem besonderen Zweck seines Werkes nicht gegeben; insoweit legt er ein Zeugnis ab für Daniel, nur nennt Xenophon statt Darius den Namen Cyaxares. Die armenische Chronik aber nennt in Zusammenhang mit der Besiegung des letzten Königs der Babylonier Nabonid ausdrücklich den Namen Darius des Königs. (Nach Xenophons Cyropädie ist Cyrus der Enkel des Mederkönigs Astyages, ein Sohn der Tochter desselben, Mandane. Auf Astyages folgt sein Sohn, Cyaxares. Cyrus führt die Kriege dieses seines Oheims, erobert ihm auch Babel und empfängt zuletzt des Cyaxares Tochter zur Gemahlin und Medien als Mitgift. Cyrop. I, 2. I, 5 etc. VIII, 5.) – Zu den bis jetzt gefundenen babyl. Inschriften herrscht allerdings der Name Cyrus allein für sich; Cyrus erscheint in ihnen als Herrscher. Es wird sich aber damit nicht anders verhalten, als wie mit den Aussagen des Buches Daniel über Nebukadnezar. Dieser heißt bereits c. 1, 1 im dritten Jahr Jojakims König von Babel, obwohl damals sein Vater Nobopalassar König war und er selber nur Mitregent; aber er war der aktiv hervortretende. – Zuletzt wird die Darstellung des 6. Kap. noch dadurch beglaubigt, daß die uns unter dem Namen der Perserkriege bekannten Begebenheiten bei den griechischen Schriftstellern die „medischen“ heißen (vgl. Thukyd. I, 18, 23, 86, 89, 92 u. s. w.). Demnach erschien den Griechen nicht zunächst Persien, sondern vielmehr das medische Reich als Erbe der assyrisch-babyl. Weltmacht, trotzdem der Zusammenstoß Griechenlands mit Asien in die Zeit der Perserherrschaft fällt. Der persische Bestandteil des med. Reichs trat erst später selbständig hervor, wie etwa aus dem Reich Karl des Großen das heil. röm. Reich deutscher Nation.

 Von manchen wird Gewicht darauf gelegt, daß Jesus Sirach in seinem Katalog berühmter Männer c. 49 unseren Propheten nicht nenne, zumal doch Joseph erwähnt werde, an den Daniel durch sein Traumdeuten erinnere. Aber Jesus Sirach nennt auch andere hervorragende Männer nicht, als z. B. den Hohepriester Jojada, den Schriftgelehrten Esra. Aus den Bemerkungen, womit er seine Aufzählung begleitet, geht hervor, daß er den Zeitraum des Exils unvollkommen würdigt; an Joseph rühmt er, er sei Herr über seine Brüder gewesen und Erhalter des Volkes, Bezeichnungen, die auf Daniel nicht paßten, wenn er auch sonst manche Ähnlichkeit mit jenem hatte.

 Lassen sich nach dem Vorigen den Gründen, aus welchen man dem Buch Daniel den prophetischen Charakter abspricht, Thatsachen entgegenstellen, die das Gewicht derselben sehr reduzieren, so kann man andererseits für Daniel Gründe und Zeugnisse anführen, denen innerhalb der Kirche entscheidende Bedeutung zukommt. Wenn man nämlich Daniel nicht als Propheten gelten läßt, so läßt sich auch die unfehlbare Autorität des HErrn und seines Apostels nicht mehr halten. Denn des HErrn Belehrung vom Ende Matth. 24, 15 etc. und St. Pauli 2 Thess. 2 gründet sich offenkundig auf den Propheten Daniel, muß also mit preisgegeben werden, wenn er preisgegeben wird. Die Daniel’schen