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Wunder billig auf sich beruhen lassen, weil sie von einem puren Vorurteil ausgehen, bemerken wir bezüglich der chronologischen und historischen Umstände, daß dieselben nicht weniger als unlösbar sind, wie dies Füller in seiner Schrift: Der Prophet Daniel (Basel, bei Bahnmaier 1868) erwiesen hat, desgleichen E. Rupprecht, Pseudodaniel und Pseudojesaia, (Erlangen u. Leipzig, Böhme 1894), welche Schriften zu den einzelnen angeführten Stellen nachgelesen werden mögen. Doch soll auf etliche geschichtliche Einwendungen unten kurz eingegangen werden.

 Der Abschnitt 2, 4b–7 ist in der dem Hebräischen verwandten früher chaldäisch, jetzt aramäisch d. h. syrisch genannten Sprache geschrieben, in der auch Teile von Esra verfaßt sind und die man später auch in Palästina redete. Die Sprache der babylonischen Denkmalsinschriften, obwohl gleichfalls der hebräischen Sprache nächst verwandt, ist doch von der oben genannten noch verschieden. Es ist indes wohl möglich, daß Schriftsprache und Verkehrssprache auch in Babel verschieden war; nach c. 2, 4 war letztere das Chaldäische resp. Aramäische, eine Sprache, die schon zu Jesajas Zeit weitere Verbreitung genoß cf. Jes. 36, 11. Durch die Bemerkung c. 2, 4 werden die folgenden Abschnitte als geschichtliche Dokumente bezeichnet. Mit Kap. 8 verläßt der Prophet den Schauplatz der Weltbegebenheiten und beschränkt sich auf das engere Gebiet der Geschichte Israels; da tritt die hebräische Sprache ein.

 Die Sprache Daniels weist auch persische Bestandteile auf, nämlich in den geschichtlichen Partien; in den Weissagungen kommt nur ein einziges persisches Wort vor c. 10, 3 (für niedliche Speise). Hierbei hat man zu beachten, daß der Verkehr Assurs und Babels mit den östlichen Nachbarn (Medien, Elam) ein zum Teil mehr als tausendjähriger war, daß zwischen Medien und Babel um diese Zeit eine enge Verbindung bestand, daß Daniel selber noch mehrere Jahre, zum mindesten fünf, am medisch-persischen Hof lebte.

 Aus geschichtlichen Gründen wird beanstandet c. 5. Unter dem Namen Belsazar kennen die übrigen historischen Quellen den hier genannten babylon. König nicht. Die Personalien desselben aber – Herkunft, Regierungsweise, Ausgang – stimmen ganz zu einem vom chald. Geschichtsschreiber Berosus erwähnten König, namens Loborosoarchod, einem Enkel Nebukadnezars. Daß die Namen der morgenländischen Könige oftmals wechseln, ist bekannt. Daniel mag den offiziellen Namen, der zwei Jahrhundert später lebende Berosus den vor der Thronbesteigung geführten, nennen, da er ihn unter vierjähriger Vormundschaft seines Vaters stehen läßt und ihn nur neun Monate als selbständigen Regenten kennt.

 Desgleichen wird die Existenz des Darius von Medien angefochten c. 5, 31 (der Vers leitet das folgende c. 6, 1 etc. ein), und der hier zunächst in Betracht kommende griech. Geschichtsschreibers Herodot, der etwa 80 Jahre nach Eroberung Babels durch Cyrus jene Gegenden bereiste, nennt ihn nicht; er sagt aber selber, daß er von den mancherlei Erzählungen über Cyrus diejenige gebe, welche ihm als die wahrscheinlichste vorkomme. Es ist auffallend, daß der 50 Jahre hernach