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§ 5.
Geschichte der Einleitungswissenschaft.

 Die Geschichte unserer Wissenschaft beginnt schon mit der Zeit der Kirchenväter, doch finden wir hier noch keine vollständige Lösung der wissenschaftlichen Aufgabe. Erst zur Zeit der Reformation fängt man an, die h. Schrift nach allen Seiten hin zu erforschen. Leider hat sich seit der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts der Unglaube, welcher das Ansehen der h. Schrift zu untergraben sucht, der biblischen Einleitungswissenschaft je länger je mehr bemächtigt. Die kirchliche Theologie hat aber von Anfang an gegen solche Bestrebungen angekämpft und diesen Kampf nicht ohne den Segen eigener Förderung bis auf diesen Tag fortgeführt.

 Litteratur. 1. Unter den Kirchenvätern bieten Hieronymus in seinen Vorreden zu den einzelnen biblischen Büchern in der Vulgata und Augustinus in seinen Schriften, besonders in der Schrift de doctrina christiana, manches, was zur biblischen Einleitung gehört; darauf gestützt gab Cassiodorus († 563) in seinem Werke de institutione divinarum literarum eine Art von Einleitung, welche das gebräuchlichste Handbuch im Mittelalter war.

 2. Aus dem Mittelalter gehören hieher die Vorbemerkungen zu den einzelnen biblischen Büchern in dem fortlaufenden Kommentar zum A. und N. Testament von Nicolaus de Lyra († 1340), den er perpetuae postillae betitelte.

 3. Im Jahrhundert der Reformation erschienen die bibliotheca sancta des Sixtus von Siena 1566 auf katholischer, und die immer noch reiche Ausbeute gewährende clavis scripturae sacrae von Matthias Flacius auf lutherischer Seite. Wie riesige Fortschritte auf allen zur biblischen Einleitung gehörigen Wissensgebieten, besonders dem sprachlichen und historischen, gemacht wurden, zeigen die zur sog. Londoner Polyglotte von Brian Walton (1657 bis 69) gehörenden einleitenden Traktate.

 4. Der erste, welcher in dem nachreformatorischen Zeitalter die Notwendigkeit historischer Behandlung der biblischen Einleitung anerkannte und die Einleitung in das A. Testament von der in das N. Testament trennte, war der französische Katholik Richard Simon in seinem gründlich gelehrten bahnbrechenden, aber für die göttliche Seite der h. Schrift fast schon blinden Werke Histoire critique de Vieux et de Nouveau Testament 1678 ff. Mit ihm wetteiferte in allen diesen Stücken der Arminianer Clerikus in Amsterdam. Ihnen gegenüber verteidigte der Lutheraner Joh. Gottlob Carpzov in seiner Introductio (1714) und den Critica sacra (1728) die kirchliche Überlieferung von der h. Schrift.

 In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Kirche in Bengel ein Schriftausleger geschenkt, der die h. Schriften nicht mehr bloß dogmatisch, sondern offenbarungsgeschichtlich behandelte und auch der Einleitungswissenschaft