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b) mit 2 Distichen, die zu einander in synonymem (Ps. 44, 3), antithetischem (Ps. 31, 23) oder synthetischem (Ps. 18, 7) Verhältnis stehen, oder c) mit einem Tristichon und einem Monostichon (Ps. 5, 11), oder einem Distichon und zwei Monostichen (Ps. 31, 20); 3. fünfgliedrige meistens aus 2 Distichen und 1 Monostichon bestehend, z. B. Ps. 37, 39–40; 84, 4; 4. sechsgliedrige, aus 3 Distichen bestehend, seltener in den Psalmen, als im Hohenlied und in den prophetischen Schriften, z. B. Hohesl. 4, 8, Hab. 3, 16. 17.

 Im viergliedrigen Vers entspricht übrigens, wie manche lehren, das erste dem dritten, das zweite dem vierten Glied, oder das erste dem vierten, das zweite dem dritten Glied.

 Im vollkommenen Liede treten die Verse in ein ähnliches Verhältnis des Parallelismus, wie im Verse die einzelnen Glieder; es entsteht dadurch der Liederbau oder die Strophenbildung, und auch hier kann das Verhältnis des Gegensatzes, der Gleichheit, oder Ähnlichkeit, der fortschreitenden Gedankenverknüpfung (Synonymie, Antithese und Synthese) stattfinden. Die Strophen sind bald äußerlich erkennbar durch Refrains oder Kehrverse (s. Ps. 42), bald erkennbar an den Sinnabsätzen. Sie sind bald von gleicher, bald von ungleicher Vers- und Stichenzahl.

 3. Die geschichtliche Entwickelung der hebräischen Poesie zerfällt in drei Hauptperioden.

 a) Die mosaische. Das Lied am Schilfmeer (Ex. 15), der Psalm Moses (Ps. 90), das Lied und der Segen Moses (Dt. 32. 33) sind die Vorbilder der hymnischen (lobpreisenden), elegischen (klagenden) und prophetischen (weissagenden) Dichtung. Wie für alles, so hat die große Zeit Moses auch für das Lied in Israel den Grund gelegt.

 b) Die davidisch-salomonische oder die Zeit der Blüte. Von der mosaischen zur davidischen Poesie leitet das Lied der Debora (Richt. 5) und das der Hanna (1 Sam. 2) über. Sie zeigen bereits strophische Form. Die größte Vollendung aber gibt dem Liede erst David, der Sänger, lieblich mit Psalmen Israels. Es befähigt ihn dazu seine natürlicherweise reichbegabte und vom Geiste Gottes erfüllte Persönlichkeit (2 Sam. 23, 3 ff.), seine Lebensführung und endlich seine Stellung als Gesalbter Gottes (2 Sam. 7). – Wie David das Lied, so hat Salomo den Spruch zur höchsten Vollendung geführt. Der Spruch hat zum Inhalt die Weisheit, welche dem Menschen durch die Betrachtung der Natur und des