Die älteren literarischen Varianten der Märchen bleiben doch an Zahl zurück im Vergleich zu den vielen dem Volksmunde entnommenen Aufzeichnungen, die der Forscher in den neueren Märchensammlungen antrifft. Die volkstümlichen Varianten werden immer die Hauptmittel der Untersuchung sein.
Ich beginne meine Übersicht über die volkstümliche Märchenliteratur mit Deutschland, der Heimat der Märchenforschung.
Der erste Teil der grimmschen Sammlung KHM erschien im Jahre 1812, der zweite 1815. Die Anzahl der Märchen betrug anfangs im ersten Teile 85 und im zweiten 70, wurde aber in den späteren Auflagen so vermehrt, dass sie schliesslich auf 200 stieg. Die Sammlung ist in Deutschland oft aufgelegt worden. Durch Übersetzungen sind die grimmschen Märchen in vielen Ländern bekannt geworden, haben Interesse für die Märchen geweckt und sind das Vorbild für die besonders in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in so grossem Masse ausgeführte Sammelarbeit der Volksmärchen gewesen.
Die grimmschen Märchen stammen zum grössten Teil aus mündlicher Überlieferung, sie sind von den Freunden der Brüder Grimm und alten Frauen erzählt worden, einige sind jedoch aus der mittelalterlichen Literatur und aus späteren Schwank- und Fabelbüchern entnommen. Bei der Redaktion der Sammlung wurden die Brüder Grimm von dem Bestreben geleitet, den Märchen die Form zu erhalten, in welcher sie erzählt wurden. Sie machten in den Erzählungen
Antti Aarne: Übersicht der Märchenliteratur. Suomalaisen Tiedeakatemian Kustantama, Hamina 1914, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FFC14.djvu/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)