Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

verfasst worden sind, ist es doch nicht wahrscheinlich, dass sie überall entstanden seien. Ich glaube, dass sie zum grössten Teil an bestimmten Orten zustandegekommen sind. Einige Völker und Gegenden haben besondere Voraussetzungen für das Schaffen von Märchen gehabt. Einen solchen für die Entstehung der Märchen günstigen Erdboden hat der Orient und vor allem das vielbesprochene Indien gehabt. Meine Auffassung ist, dass Indien, dem einige für die Entstehung der Märchen beinahe alle Bedeutung haben absprechen wollen, doch einen bemerkenswerten Anteil an ihrer Schöpfung hat. Die Reichhaltigkeit der alten indischen Märchenliteratur zeigt, dass die Märchen in Indien sehr beliebt waren. Im Hinblick darauf scheint es sehr natürlich, dass die Indier Märchen auch verfasst haben. Es ist falsch, sie in Benfey’s Art aus der buddhistischen Literatur herzuleiten, aber die volkstümlichen Vorbilder, auf welche sich die schriftlichen Bearbeitungen gründen, können die ursprünglichen Formen der Erzählungen vertreten. Es sei jedoch hervorgehoben, dass eine solche Frage nicht auf einmal definitiv entschieden werden kann. Der Anteil der verschiedenen Völker an der Märchenschöpfung wird sich erst dann aufklären, wenn zuerst die Schicksale und der Entstehungsort jedes einzelnen Märchens durch Spezialuntersuchungen bestimmt worden sind. Reinhold Köhler und andere, die mit ihm die einzelne Märchen betreffende Behandlungsart betonten, haben die künftige Forschung auf den richtigen Weg hingewiesen.

Die Vorzüglichkeit der morgenländischen Märchen wird auch daraus ersichtlich, dass nach ihnen und durch Stoffanleihen bei denselben in Europa, wie es scheint, neue Märchen zusammengesetzt worden sind, die den hiesigen Verhältnissen besser entsprechen. Ein solches ist das Märchen „die Tiere im Nachtquartier“, dessen Vorbild das morgenländische Märchen von den auf der Reise befindlichen Hausgeräten gewesen ist, und ebenso das europäische

Empfohlene Zitierweise:
Antti Aarne: Leitfaden der vergleichenden Märchenforschung. Suomalaisen Tiedeakatemian Kustantama, Hamina 1913, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FFC13.djvu/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)