Draußen in den Bäumen begann es leise zu rauschen und sich zu bewegen, eine frische Luftwelle strich durch das Gemach. Vom Garten herauf ertönte das fröhliche Lachen des Kindes. Paul raffte sich zusammen, ging festen Schrittes auf das Lager zu und schlug die Vorhänge auseinander. – – –
… Seine Eltern erwarteten ihn in banger Sorge. Eine Stunde war, zwei Stunden waren vergangen. „Neun Uhr,“ sagte der Vater. Die Gräfin legte ihre Arbeit weg, ergriff sie wieder, rang angstvoll die Hände in ihrem Schoße.
„Wo bleibt er?“ nahm der Greis wieder das Wort – „noch immer bei ihr?“
Die Gräfin erhob sich und verließ schweigend das Zimmer.
Sie kam nach einigen Augenblicken mit verstörter Miene zurück.
„Was ist geschehen?“ fragte ihr Mann, der ihr ganz außer Fassung entgegenkam.
„O Karl! er liegt auf den Knieen vor ihrem Bette und weint.“
Am folgenden Tage schrieb Paul an Gräfin Marianne einen warmen Brief; er erging sich darin nicht in Selbstanklagen, er sprach nicht von einem heißersehnten Glück, das er der Pflicht zum Opfer bringen müsse. Einfach und lebendig schilderte er den Eindruck, den die
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/412&oldid=- (Version vom 31.7.2018)