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sie lieben lernen soll, von dem will er ihr sprechen. Nur muß man kennen, was man beschreiben will, und er hat die Kleine noch kaum gesehen, wie absichtlich schafft man sie ihm aus dem Wege, erwähnt ihrer nicht, gedenkt es ihm wohl noch, daß er dereinst zu behaupten pflegte, kleine Kinder seien ihm ein Greuel. Das war damals nur halb und ist jetzt gar nicht mehr wahr, Eltern jedoch glauben nichts schwerer, als daß mit ihren Kindern eine Veränderung vorgehen könne. Paul erhob sich, um zu schellen, und in diesem Augenblicke wurde nach leisem Pochen die Thür geöffnet, und sein Töchterchen trat ein. Es klammerte sich dabei mit einer Hand an den Rock seiner Wärterin, in der anderen trug es einen Veilchenstrauß. Einen solchen, ganz so gebunden, legte Marie dereinst täglich auf seinen Schreibtisch: dort hatte er ihn soeben halb unbewußt vermißt.

„Das bringen wir dem Papa,“ sprach die Wärterin. Sie beugte sich zu der Kleinen nieder und suchte sich von ihr loszumachen. „Es ist ein guter Papa, geh’ zu ihm, mein Engel, geh’!“

Es entstand ein langer, in flüsterndem Tone geführter Wortwechsel zwischen Mariechen und ihrer Pflegerin, dem Paul damit ein Ende machte, daß er der letzteren befahl, sich zu entfernen.

„Und das Kind?“

„Das bleibt bei mir.“

„Ganz allein? Es ist so scheu – Sie sind ihm so fremd –“

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Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/396&oldid=- (Version vom 31.7.2018)