„Danach darf man ihn nicht fragen!“ rief der Greis. „Du weißt, das kann er nicht leiden. Nur keinen Zwang, nur keine Liebestyrannei!“
Paul war während dieser letzten Worte eingetreten, und man setzte sich an den Frühstückstisch. Er freute sich im Stillen über das frischere Aussehen der beiden alten Leute. Die Nachtruhe, die ihnen der Gedanke gar süß gemacht, daß ihr Sohn einmal wieder unter demselben Dache mit ihnen schlafe, hatte sie unsäglich erquickt.
„Bist Du zufrieden mit unserer Wirthschaft?“ fragte der Graf. „Vogel hält strenge Ordnung, ein braver Mann, das muß man ihm lassen … auch fehlt uns nichts als bares Geld. Das Erträgniß, sagt Vogel, das Erträgniß! – ja, leider. Es wird ihm oft schwer, die großen Regiekosten zu bestreiten.“
– Die Regiekosten? dachte Paul, o lieber Vogel! o lieber – Schurke! du hast dich sonderbar ausgewachsen. Meine Abwesenheit bekommt dir schlecht. – Er antwortete ausweichend, vorläufig könne er noch keine Meinung abgeben, in einigen Tagen aber, nächste Woche vielleicht …
„Nächste – Woche?!“ wiederholten seine beiden Eltern zugleich. So lange bleibt er? o Glück! sie dachten nicht mehr ein solches zu erleben. Die Mutter vergaß in ihrer Freude einen Augenblick die stets geübte Zurückhaltung, die sich jede Aeußerung der Zärtlichkeit versagte. Sie glitt schmeichelnd mit den Fingern über den auf dem Tische ruhenden Arm ihres Sohnes. Es lag in dieser schüchternen Berührung so viel unterdrückte Liebe, ein so
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/394&oldid=- (Version vom 31.7.2018)