gewesen, einzuwilligen, denn im stillen gab er ihr Recht. Aber war er der Mann, der gemahnt zu werden brauchte an die Erfüllung einer Pflicht? – Würde er sie als solche anerkennen, ihr wäre längst Genüge geschehen. Demnach hatte Paul ein rasches Ende gemacht, erklärt, er wolle von der Sache nichts mehr hören, und über die Subjektivität der Weiber gespottet, die immer sich, immer nur sich in die Lage der andern versetzen können und unfähig sind, irgend ein Verhältniß anders als persönlich zu beurtheilen.
„Mitleid ist Schwäche!“ hatte er ausgerufen, plötzlich aber innegehalten, weil ihm ein Zweifel an der Unbestreitbarkeit dieses Satzes aufgestiegen war, weil ihn beim Anblick des Schmerzes, den sein Starrsinn verursachte, eine Regung überkommen hatte, derjenigen beinahe ähnlich, die er soeben verdammt …
Die junge Frau jedoch, wie hatte sie in seiner Seele zu lesen gewußt! Das leise, kaum eingestandene Gefühl, das zu ihren Gunsten sprach, wie war es sogleich von ihr errathen, wie dankbar sein Erwachen begrüßt worden! Wie hatte sie, mit neubelebter Hoffnung auf den Sieg ihrer guten Sache, die Arme um den Hals ihres Mannes geschlungen, den Kopf an seine Brust gedrückt, voll zärtlicher Begeisterung zu ihm emporgesehen und ihm zugeflüstert: „O du Schwächling!“
Ja, ja, sie war anmuthig gewesen und hold. – –
Paul fuhr auf aus seinem Sinnen. „Nehmen Sie an,“ sprach er zu seinem Begleiter, „daß ich heute anders
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 385. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/391&oldid=- (Version vom 31.7.2018)