Im Amtshause, das von dem Meierhofe nur durch die Straße getrennt war, und das mit seinen zwei Geschossen, seiner verzierten Façade und seinem französischen Dache einem Schlößchen glich, wurde es plötzlich lebendig. Ein Fenster im ersten Stocke war eröffnet und so rasch wieder zugeschlagen worden, daß die Trümmer zerbrochener Scheiben klirrend zu Boden fielen. Darauf entstand in dem Hause eine Bewegung, wie in einer überrumpelten Festung, und endlich erschien auf der Schwelle ein großer, breitschultriger, sehr dicker Mann. Sein Gesicht hatte die Form und den Umfang eines Tellers und die Farbe einer Feuernelke. Als Balthasar den Herrn Verwalter kommen sah, machte er sich eilig von dannen. Die langen Schöße seines Rockes flogen hinter ihm her und waren anzusehen wie die Flügel eines Nachtfalters. Er rückte vor dem Verwalter kaum den Hut, und dieser erwiderte den kurzen Gruß mit auffallender Freundlichkeit. Hingegen vergab er seiner Würde dem Herrn Grafen junior gegenüber nicht ein Jota.
„Der Herr Graf sind da,“ sprach er bitter und vorwurfsvoll, „begeben sich stante pede in die Oekonomie, ohne mich haben avisiren zu lassen. Ich darf die Gnade nicht haben, theilzunehmen an der Inspection.“
„Nur eine Morgenpromenade, lieber Vogel. Allerdings bin ich nicht erbaut von dem, was ich bisher sah und hörte,“ erwiderte Paul, theils ergötzt, theils geärgert durch die gewundenen Reden des feierlichen Herrn, den
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 382. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/388&oldid=- (Version vom 31.7.2018)