„Das ist der neue Schullehrer,“ sagte Balthasar in nachlässigem Tone.
– „Der? Der junge Bursch? Der kann ja selbst die Schule nicht absolvirt haben.“
„Hat’s auch nit.“
„Wie so? Ist er relegirt worden?“
„Es heißt, daß er, wissen’s, drinnen in der Stadt, aus dem Schulzimmer, oder von wo? Maschinen mitgenommen hat, um d’ran zu studieren. Aber – vergessen muß er haben, daß sie ihm nit gehören, denn sonst –,“ sprach Balthasar mit einer pfiffigen Harmlosigkeit, die des größten Schauspielers würdig gewesen wäre, „denn sonst hätt’ er sie ja nit verkaufen können.“
„Das wißt Ihr?“ rief Paul, „und den macht Ihr zum Schullehrer? Den duldet Ihr?“
„Wir haben ihn nit g’rad ausgesucht, aber er hat halt ‚Prodektion‘, und wenn er einmal dasitzt, bringt ihn selbst unser lieber Herrgott nit weg, das müssen Sie auch wissen, Herr Graf,“ setzte Balthasar hinzu, zufrieden mit dem Eindruck, den das Streiflicht hervorbrachte, welches er auf die Ortszustände geworfen.
„Eure Schuld, wenn er dasitzt … Jetzt habt Ihr ihn, könnt Eure Kinder zu ihm in die Schule schicken!“
„Ich schick’ die meinen nit.“
„Ihr schickt sie nicht? Existirt vielleicht kein Schulzwang in Sonnberg?“
„Ich zahl’ halt Straf’,“ antwortete der Bauer mit ruhigem Lächeln. „Ich kann’s ja thun.“
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/386&oldid=- (Version vom 31.7.2018)