daß Marianne ihm einmal sagte: „Wenn es ein Mittel giebt, einem Sonnberg zu verleiden, dann sind Sie im Besitze desselben, mein armer Freund …“
Die Gräfin Erlach beantwortete Pauls Compliment mit einem spöttischen Lächeln. Sie schien immer spöttisch zu lächeln, sogar wenn sich ihr Gesicht in vollkommener Ruhe befand. Dann ging sie zu einem andern Thema über und sagte zu Marianne: „Tonchette kommt morgen aus Paris zurück.“
„Haben Sie große Bestellungen bei ihr gemacht?“
„Große nein – nur ein paar Toiletten, das Nothwendigste.“
„Was man ins Haus braucht, um seinen Mann zu bezaubern,“ bemerkte Klemens, und Paul fiel ein:
„Das heißt, um ihn in der Bezauberung zu erhalten, denn bezaubert ist er ja längst.“
„Schreibt der Graf noch immer?“ fragte Alfred schüchtern und zugleich dreist wie ein kaum flügge gewordenes Spätzchen, das kämpfend zwischen anerzogener Bescheidenheit und angeborener Keckheit, nicht ohne Zögern sein Stimmlein im Kreise älterer Gefährten erhebt, „schreibt er noch immer so viele Gedichte an Sie, Gräfin?“
„An mich? was fällt Ihnen ein? – Ich weiß nichts davon.“
„Wer das glaubte!“ sprach Marianne mit einem Anflug von Sarkasmus. „Ihr Mann macht Ihnen gewiß kein Geheimniß aus den poetischen Huldigungen, die er Ihnen darbringt.“
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/356&oldid=- (Version vom 31.7.2018)