Widerspruch, erhob aber dabei stets einen Blick voll so liebenswürdiger Demuth zu ihrem Bewerber, daß dieser wünschte, sie möge ihm öfter widersprechen, damit ihm ein solcher Blick öfter zu Theil würde.
Die Zeit verging, wie sie dem Liebenden zu vergehen pflegt, entsetzlich langsam, furchtbar schnell … Es kamen Tage, deren Ende Paul nicht erleben zu können meinte, andere, die wie Minuten verflogen – und als die Luft eines Morgens lau und lind durch das geöffnete Fenster drang, und er einen Blick auf die Kastanienbäume vor dem Hause werfend, ihre Knospen geschwellt, ihre Zweige mit jungem Grün bedeckt sah, da überraschte es ihn, daß der Winter vorüber und der Frühling gekommen war. Der Frühling seines wichtigsten Lebensjahres, welches auch das schönste werden sollte, das erste eines reichen Glückes, in dessen Sonnenschein sich alle spiegeln und erwärmen werden, die ihn lieben. Er gedachte seiner Eltern und des Kindes, das zwischen dem greisen Ehepaare aufwuchs, liebevoller als er je gethan. Innig, wie nie, fühlte er die Sorge für ihr Wohl in seinem Herzen Raum fassen. Sie sollen alle neu aufathmen, Frohsinn und Heiterkeit sollen einziehen in ihr stilles Haus, wenn er ihnen Thekla bringt, die Frau seiner Wahl, die ihn lieben lehrte, nicht sie allein lieben, auch die Seinen, auch die ganze Welt – und jenen so eigentlich erst den Sohn, seinem Kind den Vater, der Erde einen Menschen geschenkt.
Er wird an Theklas Seite ein anderer sein als er
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/342&oldid=- (Version vom 31.7.2018)