Der Wagen war vorgefahren, die Damen stiegen ein. „Morgen also, um zwei Uhr, kommen wir,“ rief ihnen der Fürst noch zu, und die Equipage rollte davon.
„Warum sagen Sie wir?“ fragte Alfred, „wer begleitet Sie morgen zu der Gräfin?“
Klemens zog sein Cache-nez bis zu den Ohren hinauf und erwiderte kurz: „Sonnberg begleitet mich.“
„Wie, lieber Onkel – Sie machen sich zu seinem Freiwerber?“ sprach Alfred vorwurfsvoll – „Sie! … Und wissen doch …“
„Ich kann in dieser Angelegenheit keine Rücksicht auf dich nehmen. Ich kann in dieser Sache nichts für Dich thun. Es war ein Unsinn, daß Du Dich in Gräfin Thekla verliebtest … Zum Teufel, ehe man sich verliebt, sieht man zu in wen!“ Das Gespräch, das er heute Morgen mit Mariannen gehabt, kam dem Fürsten sehr zu Hülfe, und er schloß: „Mit dieser Empfindung mußt du trachten fertig zu werden. Das kann man. Man muß nur bei Zeiten zum Rechten sehen.“
Unterdessen hatte Paul, der seinen Wagen fortgeschickt, zu Fuß den Heimweg angetreten. Ihn lockte der Gang durch die schneebedeckten Straßen in der stillen Winternacht. Erquickt von der kalten Luft, die ihn anwehte, sog er sie tiefathmend ein und begann gewaltig auszuschreiten. Wie groß und weit war ihm das Herz! Als hätte ein Bann sich gelöst, der auf ihm ruhte, so fühlte er sich; als wären ungeahnte Fähigkeiten in ihm erwacht.
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/327&oldid=- (Version vom 31.7.2018)