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So großer Unbefangenheit gegenüber erlangte Marianne, wenigstens scheinbar, ihren Gleichmuth wieder. Mit einigen kalt verabschiedenden Worten reichte sie Herrn Krämer seine Zeichnungsvorlage, von der Theklas „Ja“ natürlich weggetilgt worden war, und ein wohlgefülltes Couvert.

Dem Maler schoß das Blut ins Gesicht; er senkte einige Sekunden lang den Blick auf das inhaltreiche Päckchen in seinen Händen und sagte dann: „Schauen Sie, Frau Gräfin, das kann ich nicht annehmen … Das hab ich nicht verdient.“ Resolut legte er das Geld auf den Tisch, bat „dem Comtesserl“ einen Gruß von ihm auszurichten und ging seiner Wege.

Hätte Herr Krämer nicht so große Eile gehabt, den Platz zu räumen, und sich in der Thür umgewandt, ihm würde ein Anblick zu Theil geworden sein, dessen sich Niemand aus der nächsten Umgebung der Gräfin rühmen konnte. Er hätte die Frau, die man empfindungslos nannte, dastehen gesehen, bebend, gebeugt, das Gesicht von Thränen überströmt. – –

Abends hatte Madame Dumesnil wie gewöhnlich die aus dem Theater kommenden Damen mit dem Thee erwartet. Marianne trat vor den Pfeilerspiegel um ihre Coiffüre abzunehmen. Sie stand abgewandt von ihrer Tochter, die sich in einem Fauteuil niedergelassen hatte, und auf deren Gesicht das Licht der von einem Schirme halb bedeckten Lampe fiel. Jeden Zug, jede Bewegung desselben konnte Marianne deutlich im Spiegel sehen.

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Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/312&oldid=- (Version vom 31.7.2018)