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und Madame Dumesnil, auf solche, ihr von Thekla nie erwiesene Unterwürfigkeit eifersüchtig, nahm den Maler „en horreur.“

Da ereignete sich eines schönen Wintermorgens etwas Ungeheures, etwas Unerhörtes. Madame Zephirine stürzte in das Schlafzimmer der Gräfin und legte eine Herrn Krämer gehörende Zeichnungsvorlage auf Mariannens Bett. Sie rief: „Madame, madame – voilà!“ und deutete mit „schauderndem Finger“ auf eine Zeile, die an den Rand des Blattes hingekritzelt, die Worte enthielt: „Haben Sie mich lieb?“ Daneben war von anderer, ach von schwungvoller, kühner, ach, von Theklas Hand, ein deutliches: „Ja!“ geschrieben.

Marianne starrte die unheilvollen Züge an, und ihr Gesicht wurde weiß, wie das Kissen, auf dem sie ruhte.

„Dieses Blatt,“ keuchte Zephirine; „dieses Blatt war bestimmt, heute dem Unverschämten übergeben zu werden …“

Marianne hemmte den Ausbruch von Madame Dumesnils Zorn, dankte ihr bestens für die bewiesene Wachsamkeit und äußerte den Wunsch, allein gelassen zu werden.

Als Krämer, wie gewöhnlich zu spät, zur Unterrichtsstunde kam, wurde er an der Hausthür von dem Kammerdiener in Empfang genommen und anstatt nach Theklas Lehrzimmer, nach dem Salon geleitet. Schon das machte ihn stutzen, als er aber die Gräfin erblickte,

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Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/310&oldid=- (Version vom 31.7.2018)