Seite:Erzählungen von Marie von Ebner-Eschenbach.djvu/305

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

selben Augenblick aus dem Tanzsaale in den luftigeren Raum eines anstoßenden Salons traten. Klemens verneigte sich wie gewöhnlich schweigend, sie dankte freundlich lächelnd, und doch schien ihm, als sei über ihr Gesicht ein Ausdruck leiser Trauer gebreitet, der ihn ergriff und ihm, halb gegen seinen Willen die Frage erpreßte: „Wie geht es Ihnen, Frau Gräfin?“

Sie antwortete unbefangen, und ein Weilchen später saßen[1] sie nebeneinander auf dem Kanapee, in eifriges Gespräch versunken. Klemens wußte nicht mehr, daß sie ihm schweres Unrecht gethan, und als er sich dessen besann, da hatte sie sich soeben erhoben, reichte ihm die Hand und sagte: „Warum besuchen Sie mich nicht mehr? Ich bin zwischen zwei und drei Uhr Nachmittags immer zu Hause.“

Von nun an wäre jeder fehl gegangen, der den Fürsten zu jener Stunde anderswo gesucht hätte als im kleinen braunen Salon Mariannens. Er erschien mit einem Lächeln und entfernte sich mit einem Seufzer auf den Lippen, täglich, den ganzen Winter hindurch. So ging es fort durch zwei, durch – zehn Jahre. Im Frühling reiste er nach seinen Gütern, sie nach den ihren; man sah einander erst im Herbste wieder, denn auf dem Lande liebte es Gräfin Neumark einsam zu leben und nahm keine anderen als die unentrinnbaren Besuche ihrer Nachbarn an. Von Zeit zu Zeit erneuerte Klemens seine Werbung und machte die Beobachtung, daß jeder ablehnende Bescheid, den er erhielt, ihn weniger schmerzte.


  1. Vorlage: aßen
Empfohlene Zitierweise:
Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/305&oldid=- (Version vom 31.7.2018)