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in Verzweiflung wie Sappho, oder – wie Dido, im Begriffe den Scheiterhaufen zu besteigen. Stellen Sie sich das vor!“

„Das kann ich mir nicht vorstellen,“ sprach der Fürst.

„Es wäre Ihnen zu gräßlich. Aber Sie können ruhig sein. Keine falschere Behauptung als die, jeder Mensch müsse im Leben wenigstens einmal lieben. Im Gegentheil, die wahre, die furchtbare Liebe, gehört zu den größten Seltenheiten und ihre Helden sind an den Fingern herzuzählen wie überhaupt alle Helden. Mit jener Liebe hingegen, die wir kleinen Leute fähig sind zu fühlen, sind wir kleine Leute, wenn wir nur wollen und bei Zeiten zum Rechten sehen, auch fähig fertig zu werden.“

Der Fürst streckte mit würdevoll ablehnender Gebärde die Hand aus, als wolle er diese Sophismen von sich weisen und antwortete: „Wir werden fertig mit ihr, oder sie wird fertig mit uns.“

Abermals glitt ihr Blick über sein rundes Gesicht, über seine breiten Schultern, die so rüstig die Last eines halben Säculums trugen: „Das hat gute Wege, noch bin ich unbesorgt,“ sagte sie.

Der Fürst beendete den Wortstreit mit der Erklärung: zu überreden verstehe er nicht. Und in der That, dazu fehlte ihm das Talent und – die Gewissenlosigkeit. Ach, es ließ sich nicht leugnen, daß er trotz seiner verzehrenden Leidenschaft, besonders seit einiger Zeit, erstaunlich gedieh; ja, er mußte sich’s gestehen, sogar in

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Marie von Ebner-Eschenbach: Nach dem Tode. In: Erzählungen. Berlin: Gebrüder Paetel, 1893, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erz%C3%A4hlungen_von_Marie_von_Ebner-Eschenbach.djvu/301&oldid=- (Version vom 31.7.2018)