Magdalene: O Himmel, wie kannst du nur so sprechen, Wolfgang! Kannst du denn ruhig sein!
Wolfgang (hülflos): Magdalene – !
Magdalene (in einen Stuhl sinkend, die Arme auf den Tisch stützend und die Hände faltend): O mein Gott, es kann ja nicht sein! So kannst du uns nicht strafen wollen, allmächtiger Gott!
Scharff (aus dem Krankenzimmer kommend, in der Thür zu der Schwester): Also alle Viertelstunde – nicht aussetzen! (Schwester Helene von drinnen: „Nein“. Scharff schließt die Thür.) So. Und nun ruhen Sie aus, Frau Behring, Sie werden heut’ Nacht eine anstrengende Wache bei dem Kinde haben. Die Schwester ist sehr zuverlässig – sie wird Ihnen sagen, was zu thun ist.
Magdalene (flehend): Können Sie nicht hier bleiben, Herr Doktor?
Scharff: Beim besten Willen nicht. Es wartet ein Schwerkranker auf mich. Ich kann Ihnen auch nichts nützen. Wenn jetzt nicht die Natur sich redlich Mühe giebt – unsere Kunst ist leider zu Ende. Aber in einer Stunde spreche ich wieder vor. Adieu, gnädige Frau, Adieu, Behring.
Magdalene (reicht ihm stumm die Hand, indem sie ihr Taschentuch gegen die Augen drückt.)
Wolfgang: Adieu, Scharff. (Geleitet ihn hinaus und verweilt einen Augenblick mit ihm draußen.)
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)