Wolfgang: So? Finden Sie das? Ich finde, eine Wissenschaft soll wissenschaftliche Wahrheiten bieten. Habe ich jemals Ihren Religionsunterricht gestört?
Emilie Stebeling: Oh bewahre! Ich war ja immer so sehr zufrieden mit Ihnen. Ja – und dann würden ja auch die Eltern sich beschweren (sehr liebenswürdig): ich wollte es eigentlich nicht sagen; aber es sind schon viele Beschwerden eingelaufen.
Wolfgang: So! Also Maulwürfe überall! Sagen Sie, gnädiges Fräulein, was würden Sie denn nun thun, wenn ein ungläubiger Vater sich über Ihren Religionsunterricht beschwerte?
Emilie Stebeling (sehr freundlich): Ach – sollte das vorkommen können? Sehen Sie, ich habe ja nur Kinder aus den besten Familien!
Wolfgang: Ach freilich! Dann – ! Nein, in den besten Familien kommt so ’was nicht vor. (Aufstehend:) Also – kündigen wir!
Emilie Stebeling (aufstehend, reicht ihm die Hand): Vielen, vielen Dank für Ihre Hülfe –
Wolfgang: Oh bitte, mein Fräulein, keine Ursache – es war ja doch kein „Segen“ dabei.
Emilie Stebeling: Oooh, das wollen wir nicht sagen. – Adieu, Herr Behring.
Wolfgang: Empfehle mich, gnädiges Fräulein, empfehle mich. (Nachdem er sie hinausgeleitet und die Thür hinter ihr geschlossen, bricht er in ein lautes Gelächter aus.) Aus den besten Familien, hahaha!
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/73&oldid=- (Version vom 14.6.2022)