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Wolfgang: Er appelliert an deine Furchtsamkeit, Magda. (Den Arm um sie legend.) Er weiß nicht, was für eine starke, mutige Frau ich habe.

Scharff: Wenn der Hunger kein Brot mehr findet, frißt er zuerst den Mut, Mensch! – ich würde dir Reichtümer zu Füßen schütten, wenn ich sie hätte. Aber woher soll ich sie nehmen! In meinen Sprechstunden lese ich mit Vorliebe Gedichte, z. B. „Abseits“ von Theodor Storm, oder Eichendorff’s „O wunderbares, tiefes Schweigen!“ Es ist ein köstlicher Stimmungsgenuß! Aber (auf die Uhr sehend) ich verplaudere die Zeit und bin von einem Kollegen zu einer Konsultation gebeten – also: Addio, verehrte Frau; reden Sie Ihrem Mann ins Gewissen – Moign, Behring – du, ich nehme den Virchow mit – (nimmt ein Buch von Wolfgang’s Tisch.)

Wolfgang: Bitte –

Scharff: Ich bringe dir ihn bald wieder. Also nochmals: Addio!

Wolfgang: {  Adieu  } Scharff!
Magdalene: Herr Doktor! (Scharff ab.)


8. Scene.
Wolfgang. Magdalene.

Magdalene (nach längerem Schweigen): Die Stunden beim Bürgermeister brachten dir eine gute Einnahme.

Wolfgang: Eine sehr gute. –

Magdalene (seufzt. Pause.): Du – Wolf!

Wolfgang (aus seinem Brüten auffahrend): Was giebt’s?

Magdalene: Es sind Briefe für dich da.

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Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/70&oldid=- (Version vom 31.7.2018)