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Wolfgang: Herzlich gern – ich würde dir sogar eine anbieten, wenn ich noch eine hätte.

Scharff: Dann nimm bitte eine von meinen – ein aristokratisches Kraut, sage ich dir.

Wolfgang (mit gutmütigem Spott): Das stimmt zu deinen Prinzipien. (Nimmt eine Zigarre. Sie rauchen.)

Scharff: Ja, Liebster, Bester, alles, was du da nun vorgestern geredet hast – Caviar für das Volk!

Wolfgang: Das wäre!

Scharff: Ja, – oder glaubst du, daß dich ein einziger verstanden hat?

Wolfgang: Doch!

Scharff: Wer denn?

Wolfgang: Du!

Scharff: Ach – laß deine Impertinenzen. Zum 100sten Male laß dir’s sagen: Deine Ideen, deine Gedankengebäude sind zu hoch für den großen bildungslosen Haufen. Na, du weißt ja gut genug, daß ich vollkommen mit dir übereinstimme. Mir kannst du nicht leicht radikal genug werden. Aber das ist ein Unterschied. – Wir werden uns doch nicht einreden wollen, daß der große Haufe jemals Verständnis gehabt hätte für das Neue und Originale, für das Genie –

Wolfgang (sehr gedehnt): Für das Genie!! – ja, Freund, wer erkennt das Genie! Im selben Augenblick, da wir ein begrabenes Genie bewundern lernen, verlachen wir ein lebendiges. Der große Haufe, der das Genie verkennt, fängt gleich hinterm Genie an. Und wenn einmal ein Genie erkannt wird, weißt du, wo man es dann erkennt?

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Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/58&oldid=- (Version vom 31.7.2018)