– an der Seite dieses Mädchens werde ich Ihren Pharisäerdünkel zu schaden machen!
Christine: Und du kannst auch nur einen Augenblick glauben, Wolfgang, daß Magdalene solche Ansichten – –? Unsere Tochter ist gottlob in den Anschauungen gebildeter Kreise erzogen!
Elise: Und für den Gebildeten, mein Herr, erlauben Sie, daß ich Ihnen das sage, ist die Religion noch kein überwundener Standpunkt.
Wolfgang (höchst galant): Das war eine sehr gebildete Bemerkung, mein Fräulein!
Elise: Daß du, Magdalene, nicht vergessen wirst, was du unserm Geschlechte schuldig bist, das – (langsam und nachdrücklich) darf man ja wohl hoffen. Was ein Mann ohne Religion ist, ist schon entsetzlich genug; was aber ein Weib ohne Glauben ist – das kann man überhaupt nicht sagen.
Magdalene: Von allen Seiten drängt ihr auf mich ein! O dieser unselige Streit – ich wußte, daß das einmal kommen mußte! Ich kann mich nicht so schnell entscheiden ..... vergebt mir .... du bist gütig, Wolfgang, du willst mir Zeit lassen .... (mit hervorbrechender Innigkeit) und das weißt du ja auch, daß meine Liebe dir gehört, für immer dir, nur dir!
Wöhlers (mit ausbrechender Roheit): Was? Was schwatzest du da? An diesen Menschen willst du dich hängen?
Magdalene: Papa!
Wolfgang (aufgebracht): Was sagst du?
Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/37&oldid=- (Version vom 31.7.2018)