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erbärmlich zeigen würde, wenn ich, ein Gegner der Kirche und ihrer Wirksamkeit, nun plötzlich den Nacken beugte und ihren Segen erbettelte? mir durch Heuchelei ihren Segen erschliche und darnach wieder das Haupt erhöbe und sagte: Ich kenn’ euch nicht? Ich würde dem Priester recht geben, der mich mit Verachtung vom Altar wiese! – Magdalene, Magdalene! All’ das reine, selige Glück, das unsere Herzen mit den heiligsten Vorsätzen erfüllt – sie wollen, ich soll es durch eine Lüge beschmutzen, in dem Augenblick, da ich mich dir für immer verbinde, soll ich ein anderer sein, als sonst: ein Feiger, ein Elender – niemals, niemals! Begreift ihr es jetzt? Niemals!

Christine: Also du willst –

Wöhlers: Nein bitte laß mich! – Also niemals! – Sehr gut. – Sehr gut. – Das heißt: Du willst um jeden Preis deine wahnwitzigen Ideen durchsetzen, und die Rücksichten, die wir auf das religiöse Gefühl unserer Mitbürger zu nehmen haben, sind dir im höchsten Grade gleichgültig!

Wolfgang: O über dies zarte Gefühl unserer frommen Mitbürger – wo macht es sich nicht in der unzartesten Weise breit! Wehe dir, wenn sie beten und du betest nicht mit ihnen! Es genügt ihnen nicht, daß du ihre Gefühle achtest, daß du alles vermeidest, was ihre Andacht stören könnte – nein, du mußt die Hände falten und die Augen niederschlagen und ihrem Gott in’s Antlitz heucheln: sonst verletzst du ihr „Gefühl“! O, und wenn das

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Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)