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meiner Gemeinde zusehen, wie um mich her alles in Unglauben und Gottlosigkeit, in Sünde und Laster versinkt?

Wolfgang: Glauben Sie denn, Herr Pastor, daß Sünden und Laster die notwendigen Folgen sind?

Elise: {  (gleichzeitig)  } Wie?
Wöhlers: Wa –?

Pastor Meiling: (zögernd) Ich verstehe Sie nicht ganz –

Wolfgang: Ob Sie eine sittliche Gefahr für das Kind darin erblicken, wenn es nicht getauft ist? Ich würde das bestreiten müssen. Die ungetauften Kinder, die ich unterrichtet habe, waren merkwürdigerweise leiblich und seelisch ebenso gesund wie die getauften.

Pastor Meiling: (noch immer gelassen) Herr Behring – ich glaube – ich verstehe Sie noch nicht ganz. Wollen Sie etwa die riesenhafte sittliche Gefahr verkennen? Sie werden ja natürlich nicht leugnen wollen, daß Sittlichkeit und Glaube nicht zu trennen sind, daß der Mensch, der die Wohlthaten der Kirche verschmäht, der nichts vom Gebet, vom Gottesdienst, vom Genuß der Sakramente wissen will, kurz: der seinen Gott verloren hat, daß ein solcher Mensch einfach zur Bestie wird!

Wolfgang: Wenn Sie Ihren Gott meinen – (mit leichter, vornehmer Verbeugung, gutmütig) so präsentiere ich mich als Bestie.

Wöhlers: {  (gleichzeitig)  } Unausstehliches Betragen!
Pastor Meiling: (verlegend lächelnd) Sie verzeihen – ich meinte natürlich nicht –

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Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/28&oldid=- (Version vom 31.7.2018)