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will ich ausharren. Sie werden mir’s noch danken.“ Er betete nicht; aber seine Zuversicht war so gut wie Gebet. [Und er grub weiter und blieb nun Tag und Nacht bei seinem Brunnen. Aber er mußte doch auch zu essen und zu trinken haben. Die Leute jedoch wollten ihm nichts geben, wenn er sie bat; sie wollten ihm nicht einmal etwas verkaufen, sondern fluchten und drohten ihm. Da nährte er sich von Wurzeln und Beeren, die ihm das Feld und der nahe Wald gaben, und sprach zu sich: „Meine Absicht ist gut; darum will ich ausharren. Sie werden mir’s noch danken.“ Er betete nicht; aber seine Zuversicht war so gut wie ein Gebet.] Da er aber immer weiter grub, wurden seine Feinde sehr erbost; [sie drohten und fluchten ihm aus der Ferne,] sie warfen mit schweren Steinen nach ihm. Er erwehrte sich ihrer Angriffe, so gut er konnte, und dachte bei sich: „Meine Absicht ist gut; darum will ich ausharren. Sie werden mir’s noch danken.“ Er betete nicht; denn er wußte, daß die Götter darum keinen Spatenstich für ihn thun, keinen Stein von ihm abwehren würden; aber seine Zuversicht war so gut wie Gebet. Als er aber nicht aufhörte zu graben, überfielen ihn eines Tages in dunkler Frühe seine Feinde und schlugen ihn tot. Sein letzter Hauch war: „Sie werden mir’s noch danken.“ Er starb ohne Gebet und ohne den Namen eines Gottes auf den Lippen; aber seine Zuversicht war ihm Gebet, und in seiner Brust glühte die ewige Seligkeit eines edlen Herzens.

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Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)