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Wolfgang (in größter Erregung) Seht – ihr alle – – Scharff – Magdalene – Herr Stein – kommt her – ich will euch eine Predigt halten! (Er steht hinter seinem Stuhl, die Hände auf die Lehne gestützt) Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: Die größte aller Sünden, das ist die Sünde wider den heiligen Geist. Wer das Heil erkennt und ihm dennoch widerstrebt, der sündigt wider den heiligen Geist. Und diese Sünde ist so groß und schwer, daß sie ihm niemals vergeben werden kann. Ich aber sage euch: Die größte Sünde stinkt heut aus allen Ecken. Noch ist ja der heilige Geist in den Menschen lebendig. Unsere Zeit hat von ihm empfangen, und in ihrem Schoße keimen neue Götter. Ha, wie sie die Glieder recken und dehnen – sie wollen ans Licht – ach, uns allen glimmt ja verborgene, ahnungsreiche Seligkeit im Herzen. Aber unsere Zeit ist ein gemeines, feiges, gefallsüchtiges Weib; sie mag nicht gebären, sie fürchtet die Schmerzen, sie fürchtet für ihre Schönheit, – hahahaha, (mit schneidendem Hohn) sie fürchtet für ihren Ruf! Und sie schnürt sich den Leib mit ledernden Lügen, damit sie die köstliche Leibesfrucht ersticke und damit sie aller Welt ihren ehrbar glatten, schlanken Leib zeigen könne. Die ewig neu sich gebärende Natur ist ja gemein! Also töten wir, ersticken wir, was sich rebellisch regen will. Wahrlich, ich sage euch: Die hündische Feigheit, daß wir nicht sagen: Ich glaube, was ich glaube, daß wir unsern Gott dreimal verleugnen

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Otto Ernst: Die größte Sünde. Conrad Kloss, Hamburg 1895, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ernst_Die_groesste_Suende.djvu/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)