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168 Fünftes Buch.


Aufschub von Ahndung und Strafe. Eine so zügellose Frechheit der Hauskerle machte den König im Auslande wie in der Heimat in gleicher Weise verhasst. Die Dänen seufzten unter der rücksichtslosen und grausamen Regierung. Grep aber, nicht zufrieden mit niedrigen Geliebten, verstieg sich sogar zu der Frechheit, mit der Königin zu buhlen und seinem Könige gegenüber ebenso treulos zu werden, wie den übrigen gegenüber gewaltsam. Allmählich wuchs die Schande heran, und mit stillem Schritte verbreitete sich der Verdacht des verbrecherischen Verkehrs immer weiter, schliesslich aller Welt bekannt, nur nicht dem Könige. Denn Grep hatte eine Klage gegen sich zu einer gefährlichen Sache gemacht, weil er gegen alle vorging, die nur die leiseste Andeutung von dem Vorgange machten. Trotz alledem wurde die Vermutung des Verbrechens erst durch heimliches Flüstern genährt, dann durch offenes Gerücht; denn wer um eines anderen Schandthat weiss, verbirgt nur schwer seine Kenntnis. Freier um Gunwara meldeten sich viele. Deshalb verlangte Grep, um Rache für seine Abweisung durch heimliche Kunstgriffe zu erlangen, für sich die Entscheidung über die Würdigkeit der Freier: die Jungfrau sei nur für eine ganz ausgesuchte Heirat bestimmt. Seinen Ärger verbarg er, damit es nicht scheine, als habe er das Amt gesucht aus Hass gegen die Jungfrau. Auf seine Bitte überliess ihm der König, den Wert der Freier zu prüfen. So berief er denn alle Freier der Gunwara zusammen unter dem Scheine eines Mahles, liess ihnen dann die Köpfe abschneiden und das Gemach, in welchem das Mädchen hauste, mit ihnen rings umstecken und schuf damit den andern ein grauses Schauspiel. Sein Einfluss auf Frotho wurde aber dadurch nicht gemindert, er war und blieb der Vertraute des Königs. Er führte es ein, dass man eine Audienz bei dem Könige erkaufen musste: niemand werde ihn sprechen, der nicht Geschenke bringe. Denn er erklärte, den Zutritt zu einem so grossen Fürsten dürfe man nicht in gewöhnlicher Form, sondern nur durch eifrige Bewerbung erlangen; so wollte er die Schande seiner Grausamkeit durch den Schein der Liebe zu seinem Könige mindern.

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Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)