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I. Hading. 35


 und gaben somit recht eindringliche Warnung, dass man nicht zu leicht glauben darf. Sie haben es wohl mit Fug und Recht verdient, den Bruch des Schweigens am Galgen zu büssen; denn wo sie heilsames Schweigen sicher stellen konnte, da riss sie thörichtes Ausplaudern ins Verderben.

Hierauf verbrachte Hading den Winter mit angestrengtester Rüstung zu einer Wiederaufnahme des Krieges, ging wieder nach Schweden, sobald durch die Frühlingssonne das Eis geschmolzen war, und verbrachte daselbst fünf Jahre im Kriege. Als die Lebensmittel in diesem langen Feldzuge aufgezehrt waren, gerieten seine Leute in die äusserste Not und begannen ihren Hunger mit den Pilzen der Wälder zu stillen. Endlich in der höchsten Bedrängnis um die notwendigsten Bedürfnisse verzehrten sie ihre Pferde und boten schliesslich ihrem Magen Hundefleisch; ja auch Menschenfleisch zu essen galt ihnen für erlaubt. Als so die Dänen bis zur äussersten Qual und Verzweiflung getrieben waren da ertönte beim Einbruche der Nacht, ohne dass man den Sänger sah, folgender Sang durch das Lager:

Mit bösem Omen habt ihr das Vaterhaus

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Verlassen, meinend, Krieg schaff’ euch dieses Land.

Welch eitle Hoffnung äffte die Sinne euch,
Welch blind Vertrauen hat euer Herz gepackt,
Dass ihr erhofftet, Herrn dieses Lands zu sein?
Nie weicht die hehre schwedische Kriegesmacht,

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Nicht mag im Kampfe beugen sie fremde Hand.

Nein! eure Reihen schwinden im Tode ganz,
Wenn ihr mit uns zum Kampfe zu schreiten wagt.
Denn wenn die Furcht bricht trotzigen Kampfesmut,
Wenn ohne Halt schwankt mutlos der Kämpfer Schar,
In Feindes Reihen, feige zur Flucht gewandt,
Wird dann dem Sieger freiere Bahn des Mords,[29] 29
Mit grössrer Freiheit wütet des Stärkern Schwert,
Wenn jäh den Gegner treibt in die Flucht das Los:
Nicht schwingt, wen Furcht scheucht, wehrende Waffen noch.

Diese Unheilsverkündigung erfüllte des folgenden Tages Geschick durch eine verlustreiche Niederlage der Dänen. In der folgenden Nacht hörte das schwedische Heer, auch ohne dass man den Sänger sah, folgendes Lied:

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_045.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)