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26 Erstes Buch.


Ruhelos fliesst Dir das Leben dahin,
Ehelos lässt Du die Jahre vergehn,
[21] 21Waffen nur liebst Du und dürstest nach Mord,
Schöne Gestalt weckt nicht Dein Begehr,
Kampfeslust treibt Dich in massloser Wut,
Lässt Dich nicht lenken zur Liebe den Sinn.

5
Triefend von Blut und von Mord allezeit

Stellst Du das Ehebett hinter den Krieg,
Willst nicht erfreuen den Sinn durch die Lust.
Nimmer kommt Ruhe Dir grimmem ins Herz,
Spiel ist Dir fremd, nur die Wildheit vertraut.

10
Doch ist die Hand Dir von Tadel nicht frei,

Wenn Du so grämlich die Liebe verschmähst.
Weiche der Sinn nun, der kalte, Dir schnell,
Lass Du die Brust Dir erglühen in Dank,
Flicht mir der Liebe erfreuenden Bund,

15
Die ich als Kind Dir zuerst ja die Brust

Reichte mit Milch und in sorglichem Sinn
Pflegte Dich liebend, das hülflose Kind.

Als er einwandte, dass ihre Körpergrösse die Umarmung durch einen Menschen nicht erlaube, da ja ihr Bau unzweifelhaft ihrer Abstammung von Riesen entspreche, da sagte sie: „Lass Dich nicht durch den Schein meiner Riesengrösse beeinflussen, denn ich vermag in willkürlichem Wechsel mich so umzugestalten, dass ich bald klein, bald gross, bald schlank, bald gedrungen, bald zusammengeschrumpft, bald auseinander gegangen erscheine; bald reiche ich mit ragender Gestalt bis in den Himmel, bald sinke ich, über kleinere Erscheinung verfügend, zusammen zu einem Menschen.“ Als er noch zauderte und ihren Worten zu trauen schwankte, schloss sie folgendes Gedicht an:

Scheue nicht, Jüngling! mit mir das bräutliche Lager zu teilen;

30
Zwiefach hab’ ich die Kraft die Gestalt meines Körpers zu ändern,

Und ein zwiefach Gebot vermag ich den Sehnen zu geben.
Immer in wechselnder Form nehm’ an ich verschiedne Erscheinung,
Anders gestaltet nach Wunsch; jetzt bis zu den Sternen der Nacken
Reicht mir und reisst sich empor, dem erhabenen Donnrer benachbart;

35
Wiederum sinkt er geneigt zur Gestalt eines kräftigen Menschen,

Senket das Haupt, das noch eben den Himmel berührte, zur Erden.
Flüchtig verwandle ich so in bunter Veränderung den Körper,
Doppeltgestaltiges Weib; bald schnürt mir im Wechsel die Glieder

Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)