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sie schließlich nur mit Kanonen zur Raison, und es würde mir entschieden nicht passen, wenn ich die Uniform wieder anziehen müßte.“

„Nun, das ist wenigstens konsequent und die Konsequenz ist immer und überall respektabel. Uebrigens irren Sie insofern, als wir gerade verhindern wollen, daß es zum Schießen und Hauen kommt. Doch ich verzichte darauf, Ihnen das klar zu machen — wir würden uns kaum verständigen.“

„Sie wissen, Herr Hammer, ich bin kein Unmensch und würde, wenn ich die Zeche nicht zu bezahlen habe, gar nichts dagegen einwenden, daß auch die armen Teufel in der Zuckerfabrik Natives frühstücken und sie mit Chablis begießen, aber solche Bildungsvereine riechen für mich nach Sozialdemokratie, und mit der bleiben Sie mir zehn Meilen vom Leibe. Das ist die allerungemütlichste Partei, die ich mir nur denken kann, und sie auch nur indirekt zu unterstützen, geht mir wider die Natur. Es ist ein wahres Kreuz, daß man keinen genießbaren Kerl mehr findet, der nicht irgendwie sozialistisch angekränkelt wäre; bei meinem Bruder Alfred ist es schon lange nicht ganz richtig, und nun kommen Sie auch noch!“

„Sie haben sehr recht; wer das Herz und den Kopf auf dem richtigen Flecke hat, zuckt schon lange, wenn auch nur heimlich, über das offizielle Kesseltreiben wider die Sozialdemokratie die Achseln, und wenn alle, die dies bis jetzt nicht opportun finden, offen mit ihren Ansichten hervorträten, würde es sehr viele lange Gesichter geben. Die Wissenden aber halten jeden, der sich aus ehrlicher Ueberzeugung an dem großen Treiben beteiligt, für das Gegenteil eines Lichts, und ich wüßte schlechterdings nicht, wie ich Einheitlichkeit und Konsequenz und Logik in meine Weltanschauung bringen sollte, wenn ich nicht Sozialist wäre.“

„Und Sie werden nun am Ende anfangen, uns die Arbeiter aufzuwiegeln? Sie machen mich unglücklich; so haben Sie doch ein klein wenig Mitleid mit mir! Und Sie richten ja auch nichts aus und machen die Leute nur unzufrieden mit ihrem Lose. Jetzt wissen sie's nicht anders, und es fällt ihnen gar nicht ein, zu denken, daß es jemals anders sein könnte. Denken Sie doch auch an die Verantwortung, die Sie übernehmen!“

„Beruhigen Sie sich. Ich habe keinen Beruf zum Agitator, und selbst das Propagandamachen geht mir wider die Natur, wie Sie denn heute das erste Wort darüber hören, daß Sie auch mich zu den Teilern und zu den Anhängern der freien Liebe zu rechnen haben.“

„Nun, wissen Sie, die Geschichte mit der freien Liebe wäre am Ende nicht so ganz unrecht und der einzige Punkt, über den sich unterhandeln ließe.“

„Ich fürchte, wir würden uns gerade über diesen Punkt zu allerletzt verständigen, denn Sie scheinen eine sehr vage Vorstellung von der von seiten der Sozialisten angestrebten Form der Ehe zu haben, indessen — sollen wir uns den Abend mit fruchtlosen Debatten verderben? Sehen Sie, der Mond ist aufgegangen und die Frösche, die

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_99.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)