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und Leichtfertigen, der nur Geld zu verjubeln versteht, so ist das eine Ausdehnung des Gleichheitsprincips, die ich nicht anzuerkennen vermag und der ich gegebenen Falls meine Sanktion rundweg versage. Und damit Adieu, meine Herren.“

Der Premierlieutenant, in dem ein ingrimmiger Haß gegen seinen kaltblütigen Widersacher aufflackerte, machte eine heftige Bewegung, als wolle er Wolfgang in den Weg treten, aber der Rittmeister hielt ihn zurück, und er that weise daran, denn Wolfgang war völlig auf einen Angriff gefaßt und würde denselben energisch zurückgewiesen haben. Er trat in die Veranda und in den Saal, und es hätte ein scharfes Auge dazu gehört, in seinem nur etwas blässeren Gesicht eine Spur von Aufregung zu entdecken. Er überreichte Frau v. Larisch ihr Tuch und versuchte mit einer übermenschlichen Anstrengung das vorhin unterbrochene Gespräch in der alten Weise fortzusetzen. Es gelang ihm nicht; seine Stimme erhielt durch sein Bemühen, die tiefe Traurigkeit und Müdigkeit zu verdecken, die ihn beherrschte, einen fremden, fast harten Klang, und wenn Marthas Auge dem seinen begegnete, erschrak sie über einen Ausdruck, den sie sich nicht zu erklären vermochte, der aber das Gegenteil der zunehmenden Freundlichkeit war, an die sie sich bereits gewöhnt hatte und die ihr so innig wohlthat. Es war ihr, als müsse sie ihn bittend fragen, was ihm geschehen sei, was ihn so seltsam verwandelt habe, und als dürfe sie sich durch keine Ausflucht abweisen lassen. Doch das konnte sie im Beisein Leontinens nicht thun, und sie beschloß, zu warten, bis diese sich entfernt hätte. Aber ihre Absicht sollte durchkreuzt werden. Frau v. Larisch, der es ebenfalls nicht hatte entgehen können, daß Wolfgang seine Munterkeit eingebüßt hatte und zerstreut und fast düster geworden war, scherzte:

„Ist Ihnen in der Veranda ein Geist erschienen, Herr Hammer? Sie haben all Ihren Esprit draußen gelassen und sehen aus, als dichteten Sie an der gewaltthätigsten Scene eines finsteren Trauerspiels, in dem gemordet wird wie bei Shakespeare.“

Wolfgang ergriff die günstige Gelegenheit, allen Zwang von sich abzuschütteln, mit wahrer Hast. „Sie haben recht — ich bin sehr müde und abgespannt und ich erweise den Damen nur einen Dienst, wenn ich sie bitte, mich zu entlassen. Sie würden nichts mehr an meiner Gesellschaft haben und mir ist es Bedürfnis, zur Ruhe zu kommen.“

Er sah den bittenden, beinahe demütigen Blick nicht, der ihn aus Marthas Augen traf, oder er wollte ihn nicht sehen. Er reichte erst Frau v. Larisch, dann ihr die Hand, aber erwiderte den schüchternen, kaum fühlbaren Druck der ihrigen nicht, und ihr war, als sei aus der Hand des jungen Mannes alles Blut gewichen und als lege die starre, kalte Hand eines Toten sich in die ihre. Kein Blick begleitete die Verbeugung, mit der er sich verabschiedete, und Martha und Leontine sahen sich unwillkürlich betreten an. Aber sie konnten sich beide nicht zu einem fragenden Wort entschließen, und während Frau v. Larisch in den Kreis ihrer Verehrer zurückkehrte, im stillen mit der neuesten „Originalität“

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_89.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)