Seite:Ein verlorener Posten 87.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

, meine Herren, behalten Sie wohl für sich am zweckmäßigsten — ich trage kein Verlangen danach, dieselben zu kennen, und Ihnen würde es doch schwerlich angenehm sein, wenn ich die Herren namhaft machen könnte, die es passend fanden, sich in so kordialer Weise über die Damen ihres Wirts auszusprechen. Zum Danke dafür, daß Sie diesem Wunsche entsprechen und mir so eine Verlegenheit ersparen, will ich Ihnen einen guten Rat geben. Es dürfte sich sehr empfehlen, entweder den Gesprächsstoff zu wechseln oder die Stimme insoweit zu dämpfen, daß nicht jeder, der zufällig in die Veranda tritt, hören muß, wie ungemein glücklich die Herren den Ton des Stalls und der Kasernen mit dem des Salons zu verbinden wissen; als Kavalier würde ich selbstverständlich keinen Moment im Zweifel darüber sein, daß ich mich für die erste Alternative zu entscheiden habe.“

Die Gestalt, die so plötzlich aus dem Dunkel aufgetaucht war, ließ sich bei dem matten Schein von zwei glimmenden Cigarren nur ungenügend erkennen; dennoch hatte die Mischung von eisiger Höflichkeit und überlegener Ironie, mit der die Worte gesprochen wurden, die erste Ueberraschung und ihren Eindruck so nachhaltig verstärkt, daß die beiden Offiziere momentan nicht zu antworten wußten. Konnte man einen unbequemen Gegner, der so grausame Dinge in so unvorwerflicher Form zu sagen wußte, von oben herab behandeln oder mußte man ihn als ebenbürtig anerkennen? Der jüngere der beiden Offiziere faßte sich zuerst und machte einen ungeschickten Versuch, Wolfgangs Ton zu kopieren.

„Erlauben Sie mir die Bemerkung, mein Herr, daß ein Horcher und Spion wenig qualifiziert ist, ein Urteil über die Handlungsweise und die Pflichten eines Kavaliers abzugeben — in unserem Stande pflegt man derartige Leute mit Verachtung zu strafen.“

„Offiziersgespräche, meine Herren, pflegen sich innerhalb eines so engen Rahmens zu bewegen, daß gar keine Veranlassung zur Neugierde und zum Horchen vorliegt; eine Unterhaltung, die man sich jeden Augenblick aus ihren wenig zahlreichen Bestandteilen selber konstruieren kann, belauscht man nicht. Uebrigens habe ich Ihnen bereits erklärt, daß ich sehr unfreiwillig Ohrenzeuge Ihrer — freimütigen Aeußerungen wurde, und ich empfahl Ihnen dringend, dieser wiederholten Versicherung fernerhin weder direkten noch indirekten Zweifel entgegenzusetzen. Es giebt Dinge, bezüglich deren ein bürgerliches Ehrgefühl merkwürdig kitzlich und empfindlich ist, empfindlicher oft als das eines Adligen und Offiziers.“

„Ich konstatiere[WS 1], Rittmeister, daß uns in diesem Augenblick etwas höchst Lustiges passiert, das heißt, zwei Offiziere Sr. Majestät des Kaisers und Königs werden von einem unternehmenden und zungenfertigen Commisvoyageur bedroht! Mit der vorlauten Zunge natürlich nur. Darf man sich die wißbegierige Frage erlauben, was Sie etwa thun würden, wenn ich so frei wäre, auch Ihrer wiederholten Versicherung meine bescheidenen Zweifel entgegenzusetzen?

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: kostatiere
Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_87.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)