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und könnte in diesem Augenblick alle Sorgen los sein. Und da soll man nicht verdrießlich werden?“

„Der Fall ist freilich bitter. Uebrigens kenne ich jetzt Ihren Rivalen und glaube beinahe, daß mir der verwünschte Kerl ebenfalls in das Gehege gekommen ist. Ich habe es ja nicht so eilig mit dem Heiraten und kann es schon noch ein paar Jährchen aushalten, billig möchte ich mich auch nicht verkaufen und so geht man möglichst behutsam zu Werke, aber an der kleinen Reischach würde man doch eine fast brillante Requisition machen, und daß sie ein Gänschen ist, halte ich eher für einen Vorzug als für einen Fehler. Es muß verdammt unbequem sein, eine „litterarisch“ und „ästhetisch“ gebildete Frau, wie diese Hoyer, zu haben, bei der man sich jede Minute mit seiner Unwissenheit Blößen geben kann und die verlangt, daß man sich für Bücher und Bilder mehr interessiere als für Pferde und Hunde. — Sie können schließlich froh sein, daß Sie die Hoyer nicht bekommen, und der blonde Ladenschwengel oder Ellenreiter scheint besser zu ihr zu passen. Die kleine Reischach hat mir nämlich mit einer Koketterie, die ihr allerliebst stand, angedeutet, daß er der Verfasser eines anonymen Geburtstagsgedichtes sei, das sie himmlisch fand, und sie kapricierte sich darauf, mich von diesem Herrn Hammer und seinen Kenntnissen und seinen wunderbaren Heldenthaten als Kommandant der Feuerwehr zu unterhalten. Vor der Hand scheint das ja nicht bedenklich zu sein; sie hat wohl nur kokettieren wollen, denn die Frauenzimmer haben sämtlich den Teufel im Leibe, und das albernste Gänschen wird erfinderisch und schlau, wenn es ans Kokettieren geht. Aber der Mensch ist ein verdammt hübscher Bengel, und man kann nicht wissen, was sich da entspinnt. Jedenfalls kann man es der Hoyer nicht so übermäßig verargen, wenn sie sich für ihre väterlichen Thaler, die sich seitdem ganz erklecklich weiter vermehrt haben sollen, lieber den jungen, frischen Kerl als einen halb ausrangierten — verzeihen Sie, aber Sie haben selbst diesen Ton angeschlagen — Rittmeister kauft. Aeltere Mädchen pflegen im Punkte der Moral ungewöhnlich streng zu sein, und wie man's als Offizier in einer Kavalleriegarnison treibt, davon haben sie gewöhnlich auch ein Lied singen hören und wissen allerlei bedenkliche Geschichten von Sängerinnen, Ballettdämchen, Cirkusreiterinnen u. s. w. zu erzählen — mehr vielleicht, als wir uns träumen lassen. Möchte übrigens wohl einmal unter vier Augen mit dem geriebenen Burschen ein kräftig Wörtlein reden und ihm die Lust austreiben, zwei Husarenoffizieren ins Handwerk zu pfuschen. Möglich sogar, daß ich ihn ebenso interessant fände, wie Fräulein Hoyer und die verteufelte kleine Reischach — mache gern eine interessante Bekanntschaft und weiß es zu schätzen, wenn jemand den Weibern gegenüber seinen Vorteil wahrzunehmen versteht — ist ein praktischer, fast militärischer Zug.“

Mit raschem Entschluß und doch ohne Ueberstürzung trat Wolfgang aus der Veranda und an ihren Tisch.

„Ich habe das Vergnügen, mein Herr, diesem Wunsche sofort bereitwillig zu entsprechen, indem ich mich Ihnen als Wolfgang Hammer vorstelle.

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_86.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)