Seite:Ein verlorener Posten 85.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eigentümlichen näselnden Tone, an dem man den preußischen Offizier in jeder Verkleidung erkennen würde, gefragt:

„Aber was ist Ihnen, Wolfenstein? Sie entwickeln eine äußerst morose Laune. Schmeckt Ihnen der Veuve Cliquot nicht? Ich finde ihn excellent. Sie lieben doch auch einen reellen Tropfen, wenn er gut gekühlt ist.“

Der Aeltere knurrte verdrießlich: „Sie haben gut reden. Sie wissen so gut wie ich, daß meine Ressourcen erschöpft sind und daß ich meine Verhältnisse nur durch eine Geldheirat rangieren kann. Nicht einmal auf Avancement ist Aussicht — der General hat eine lächerliche Aversion gegen Rittmeister und ich werde beharrlich übergangen, abgesehen davon, daß die lumpige Majorsgage mich auch nicht retten könnte. Ich habe den Dienst nachgerade satt und denke es mir äußerst bequem, mit einer passierten Heiratslustigen ein Rittergut zu erheiraten und allen grilligen Generalen ein Schnippchen zu schlagen. Und nun hat es ganz den Anschein, als würde mir der saure Apfel, in den zu beißen ich gerade heute drauf und dran war, vor dem Munde weggeschnappt. Ich hätte nicht so lange zaudern sollen.“

„Sie sprechen in Rätseln. Ich hatte keine Ahnung, daß Sie auf Freiersfüßen gehen. Und wer ist, wenn man fragen darf, die merkwürdige Donna, die sich erlaubt. Ihnen einen Korb zu geben? Abgeschmackt! auf Ehre!“

„Sie bekommen einen Begriff von dem lamentablen Stand meiner Verhältnisse, wenn ich Ihnen sage, daß ich allen Ernstes entschlossen war, das ernsthafte Fräulein Hoyer um ihrer Füchse willen liebenswürdig zu finden und mich in sentimentale Unkosten zu stecken — ich sagte mir voraus, daß es ohne solche Albernheiten nicht abgehen würde, und was thut man schließlich nicht, um sich aus den Klauen der Breslauer Hebräer zu befreien, die schon anfangen, unverschämte Prozente zu verlangen? Uebrigens hatte ich doch zu viel Geschmack, um nicht erst an einigen anderen Stellen anzubohren — die gouvernantenhafte Hoyer war nur der letzte Notnagel, die letzte Reserve. In der vergangenen Woche habe ich nun an drei Punkten meine Flatterminen sprengen lassen und dann gestürmt, bin aber überall abgeblitzt und so reite ich heute hierher, fest entschlossen, als Bräutigam wieder von dannen zu ziehen und ohne jede Ahnung, daß ich auch hier abfallen könnte. Was glauben Sie nun, daß passiert? Fräulein belieben sich in Gesellschaft eines jungen Civilisten zu befinden, der allerdings Besitzer eines wirklich respektabeln Schnurrbarts ist; er heftet sich an ihre Fersen und als ich endlich ungeduldig werde und sie, nur der Sache ein Ende zu machen, mit wahrem Heroismus zum Walzer engagiere (ich glaube, ich habe seit drei Jahren keinen Schritt getanzt), giebt sie mir einen Korb und läßt mich stehen, um sich mit ihrem süßesten Lächeln wieder diesem unbequemen Rivalen zuzuwenden, gerade, als wäre sie froh, mich wieder los zu sein. Das verwünschte Zaudern! Vor vier Wochen hätte ich das Feld frei gefunden

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_85.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)