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abbrechen können, indem er einen oder den anderen seiner Freunde für den Verein gewinne.

Diese Erklärung wurde mit großer Befriedigung entgegengenommen, und als Wolfgang dann lächelnd zu Krone trat und ihn fragte: „Nun, was sagen Sie, Krone, habe ich mein Wort eingelöst und sind Sie mit mir zufrieden?“, da überkam ihn wieder ein Anfall seiner vergebens nach Worten haschenden Erregung, und er konnte ihm nur stumm, aber mit einem beredten, vielsagenden Blick die Hand drücken - pressen wäre vielleicht eine richtigere Bezeichnung.

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Die letzten Tage des Mai brachten den Geburtstag der kleinen Emmy, der vom Kommerzienrat alljährlich durch ein Gartenfest gefeiert wurde. Auf der Liste der Einzuladenden, welche das Geburtstagskind selbst entworfen hatte, figurierte auch der Name Wolfgangs, und als der Kommerzienrat, dem es wider die Natur ging, jemanden, den er bezahlte, der in seinen Diensten stand und dem er befehlen konnte, einzuladen, bei diesem Namen hüstelnd stockte und zaghaft andeutete, daß er diesen Namen am liebsten gestrichen sähe, da sagte die Kleine fast ungeduldig und mit der Rechthaberei des verwöhnten Kindes: „Aber, Papa, ich weiß wirklich nicht, was Du willst; es ist doch selbstverständlich, daß Herr Hammer eingeladen wird, und ich wünsche ihn bei uns zu sehen, gerade an meinem Geburtstage. Nicht wahr, Martha, Du bist auch dafür?“

Der Kommerzienrat gab angesichts dieser Entschiedenheit seinen Einspruch auf und wartete Marthas vorsichtige und gelassene Antwort: „Ich sehe keinen Grund dagegen und nur Gründe dafür,“ gar nicht ab. So fand denn Wolfgang zwei Tage vor dem kleinen Feste eines Morgens auf seinem Pult ein zierliches Einladungsbriefchen, und das Herz klopfte ihm rascher, als er sich sagte, daß die Zwanglosigkeit einer fête champêtre ihm jedenfalls Gelegenheit geben würde, Martha Hoyer näher kennen zu lernen und diese stille, innerliche Natur zu sondieren; es war ja noch lange nicht erwiesen, ob sie bei eingehender Unterhaltung auch alles das hielt, was sie versprach, und in Wolfgangs Seele kämpfte der Wunsch, sie möchte sich so zeigen, daß er ein Recht bekam, sich achselzuckend von ihr abzuwenden und sie als abgethan fernerhin zu ignorieren, mit dem Wunsche, sie möchte alles das sein, was er nur von einem Mädchen träumen konnte. Es schien übrigens, als trage Martha kein Verlangen, ihm zu begegnen; er hatte eben erst das Haus betreten, als ihm bereits Gelegenheit ward, Fräulein Emmy seinen Glückwunsch darzubringen, und sie nahm denselben mit einem Lächeln entgegen, das sie für äußerst fein und vielsagend hielt und das Wolfgang andeuten sollte, sie habe selbstverständlich erraten, wer der Dichter des ihr anonym zugegangenen Gedichts sei, das der Bewunderung für ihre „knospenfrische“ Schönheit, für ihre „Gazellenanmut“ und ihres Auges „sanftes Feuer“ in so

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Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_75.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)